Ein Heft für die Generation „Game Over“: „GEE“ gefällt auch Lesern, die mit den Ur-Großeltern moderner Konsolen aufwuchsen. Das Videospielmagazin ist erwachsener, als sein „Pokemon“-Titel suggeriert. Trotzdem kauft es kaum jemand. [Update 22.5.2011: Jetzt wurden Konsequenzen gezogen: GEE verschwindet aus den Regalen und erscheint bald digital]
Die fetten Jahre sind vorbei, zumindest für die Videospielmagazine. Ein Heft wie „PCGames“, das sich zur Jahrtausendwende rund 360.000 Mal verkaufte, findet kaum 100.000 Abnehmer. Branchenprimus „Computer Bild Spiele“ hat in acht Jahren mehr als zwei Drittel seiner 700.000 Käufer verloren, die „Bravo Screenfun“ wurde eingestellt. Ein einst boomender Markt schrumpft wie Super Mario bei Feindbeschuss.
Monatsmagazine mit Ankündigungen, Spieletests und mit Demoversionen auf einer DVD – dieses Konzept scheint im Zeitalter des Breitband-Internets überholt. Doch was wollen Gamer heutzutage lesen? Die Zeitschrift GEE setzt ihren Schwerpunkt auf zeitlose Themen rund ums Spielen. Eigene Geschichten statt vorgespielter Aktualität. Redakteur Oliver Klatt präsentiert zum Beispiel sein „Best of“ des Berliner Computerspielmuseums, Oliver Uschmann philosophiert über seine Leidenschaft für virtuelle Fußballspiele. Als Kontrast gibt es Features über Theaterstücke mit Videospiel-Einflüssen und Spiele zu Krimiserien.
Kunstkatalog für Videospiele
Diese Mischung wirkt unverbraucht und es macht Spaß, sie zu lesen. Der Stil der GEE ist dabei vor allem eins: angenehm unaufgeregt. Das Heft ist eher ein Kunstkatalog als eine Boulevardzeitung für Zocker. Testberichte sind zum Beispiel lediglich mit dem Spielnamen überschrieben. Schlicht, aber im Zweifel besser als ein schlechtes Wortspiel. Selbst die Titelseite kommt ohne klassische Schlagzeile aus. Für ein typisches Cover reicht der Schriftzug „Pokemon Schwarz & Weiß“, illustriert mit einem Drachenmonster aus dem Spiel. Warum mehr Schnick-Schnack als nötig?
Doch so aufgeräumt die Titelseite ist, so fad ist der Beigeschmack, den sie im konkreten Fall hinterlässt. Man kann sich zwar darüber streiten, ob die gefühlt hundertste Pokemon-Neuauflage ein tolles, langweiliges oder peinliches Titelthema ist. Zur Farce wird die Bildauswahl aber, wenn der Leser im Heft erneut auf das gleiche Motiv stößt – in einer doppelseitigen Anzeige von Nintendo. Uncool.
Im Gegensatz zu anderen Zockerzeitschriften bewertet GEE die getesteten Spiele nicht mit Noten oder Prozentzahlen. In diesem Heft zählt nur das geschriebene Wort. Angesichts ohnehin subjektiver Urteile ein guter Ansatz. Verdammt gehört er allerdings, wenn etwa im Kurztest zu „Lylian: Episode One“ kein Satz einer Meinungsäußerung ähnelt.
Pixelbrei von früher
Top-Titel bekommen außer warmen Worten das Prädikat „GEE liebt mich“ verliehen. Ein Spruch, der an gute Zeiten des Musikfernsehens („Viva liebt dich“) erinnert. An anderen Stellen spielt GEE absichtlich auf Vergangenes an, denn fast jeder Heftteil ist mit einem Schuss Nerd-Nostalgie verfeinert. So wird auf vier Seiten der C-64-Klassiker „California Games“ abgefeiert und auch die 35 „feingliedrigsten“ Spinnen der Videospielgeschichte krabbeln über zwei Seiten. Beeindruckend, vor welchem Pixelbrei man sich früher gruselte.
In seine Jugend versetzt fühlt man sich spätestens bei der Grabrede für das „Game over“, einem Element, das in modernen Spielen selten vorkommt. Der virtuelle Tod, oft gleichbedeutend mit dem Neubeginn des Spiels, er hat Generationen von Zockern zur Weißglut gebracht und zu Höchstleistungen angespornt. Heute drückt man die Taste für „Schnell-Laden“. Es spricht für die GEE-Redaktion, dass sie diesen Wandel des Spieldesigns bemerkt und thematisiert.
Weniger einfallsreich als die Kolumnen wirkt dagegen die Gadget-Übersicht am Heftende. Produkte, die keiner braucht und die zu viel kosten, vom Walkman mit leuchtenden Ohrstöpseln bis zum Kugelschreiber mit Camcordern. Muss eigentlich jede Technikzeitschrift so eine Rubrik haben? Hier wäre weniger mehr. Am besten gar nichts.
GEE – ein Fazit
Abgesehen von kleinen Macken ist GEE aber eine der spannendsten Spielezeitschriften. Der Redaktion gelingt es, ein Heft zusammenzustellen, dessen Inhalt selbst Internet-affine Leser überrascht. Weil es in vielen Geschichten weniger um aktuelle Titel, als um die Spielkultur an sich geht, dürfte das Magazin auch älteren Lesern gefallen.
Zuletzt kann man nur hoffen, dass GEE seinen Lesern noch einige Jahre erhalten bleiben. Denn mit rund 21.300 verkauften Exemplaren verkauft sich das Heft noch viel schlechter als die schwächelnden großen Titel. Trotz zeitgemäßem Konzept.
Infos zum Heft
GEE erscheint acht Mal jährlich im Eigenverlag „GEE Media & Marketing GmbH“. Die drei Buchstaben aus dem Titel stehen für „Games Entertainment Education“. Neben Videospielen für alle gängigen Systeme, inklusive iPhone, bespricht GEE einige Gesellschaftspiele, Bücher, Filme und CDs.
Ein Heft kostet 4,50 Euro. Nach Angaben des Verlags liegt die verkaufte Auflage derzeit bei 21.380 Exemplaren. Bei der IVW wurden letztmals im zweiten Quartal 2008 Zahlen gemeldet. Damals verkaufte GEE 17.331 Magazine pro Ausgabe.
Auf den Markt kam das Magazin 2003. Beschrieben wurde die Ausgabe 59 aus dem März 2011. Sie hat 100 Seiten.
Update 22.5.2011
Meine Hoffnungen aus dem Fazit waren leider vergebens. Im Editorial der neuesten Ausgabe heißt es: „Aufgrund der weiterhin schwierigen Lage aus dem Print-Markt mussten wir uns eingestehen, dass GEE als gedrucktes Magazin in der bisherigen Form nicht mehr funktioniert“. In anderen Worten: Eine der besten Spielehefte verabschiedet sich aus den Regalen. Schade!
Ganz tot ist GEE aber nicht: Die Marke soll als interaktive App für das Ipad und für Android-Smartphones weiterleben. Jährlich sollen zusätzlich zwei bis vier Print-Sonderhefte erscheinen. Fragen und Antworten zum Neubeginn gibt es hier.
Immerhin verabschiedet sich GEE würdevoll: Momentan liegt mit der Ausgabe 61 ein „Best Of“ der vergangenen acht Jahre am Kiosk (6,90 Euro).