Kann eine Woche schöner beginnen als mit der Sex-Zeitschrift „Coupé“? Klar. Zum Beispiel mit Bohrarbeiten oder Durchfall. Ein Abgesang auf den Schmuddelklassiker.
Hach, die wilden 90er: Tamagotchis piepsen, Buffalos quietschen und der Presserat liest Coupé. Natürlich beruflich. 16 Rügen kassierte die Sex-Zeitschrift zwischen 1991 und 2001. So viel schlampige oder falsche Berichterstattung muss ein Blatt mit mehr als vier Buchstaben erstmal hinbekommen. Zumindest sichert sie ihm einen Ehrenplatz in zahlreichen Medienethik-Seminaren. Und so ist die Coupé auch mir als Journalistenschüler ein Begriff, obwohl ihre großen Zeiten vorbei sind.
In ihren großen Zeiten, zum Beispiel Ende 1994, fand die Coupé jeden Monat unglaubliche 639.247 Käufer. Eine Verkaufszahl, die Bumsblatt-Machern mindestens feuchte Hände beschert. Ich wiederhole: 639.247 Käufer! Und heute, liebe Papas und Professoren, will es keiner gewesen sein. Irgendjemand lügt. Erzählt meinetwegen, ihr habt euch das Heft für Recherchezwecke gekauft – so wie ich und die anderen 40.500 Menschen, die noch zum Heft greifen. Die Ausgabe 3/2011, die ich erwischt habe, ist zufällig die erste nach einem Relaunch. Umso besser: Die schmutzige Vergangenheit brauche ich Chefredakteur Thorsten Wieland nicht mehr vorzuwerfen. Doch was hat die neue Coupé zu bieten?
„Liebe Leserinnen & Leser, die neue Coupé ist da!“, verkündet Chef Wieland im Editorial. „Exklusiver, erotischer und extravaganter, ohne an Charakter zu verlieren. Coupé ist und bleibt die Zeitschrift für echte Männer und geile Mädels.“ Eine äußerst selbstbewusste Ansage. Und als wären meine Erwartungen an die Mutter der Schmuddelhefte nicht hoch genug, haut Wieland noch einen raus: „Jede Seite der neuen Coupé ist prall gefüllt mit sensationellen Bildern und spannenden Infos“. Jede Seite? Ein Satz, an dem er sich messen lassen muss. Das wird schon beim Editorial schwierig, denn ich finde Wielands Porträtfoto (kariertes Hemd, Haare nach hinten gekämmt, Coupé in der Hand) kein bisschen sensationell. Aber, Stopp: Ich sollte ein Sex-Heft nicht vor dem ersten Nacktfoto verurteilen.
Unfreiwillige Seriosität
So kämpfe ich mich durch bemüht begeisterte Artikel, darunter einer übers Selbst-mal-einen-Militärflieger-steuern („ab ca. 600 Euro bei mydays.de buchbar“), einer übers Selbst-mal-Formel-1-Wagen-fahren („Die Firma Tickets & More bietet interessierten Fans die Möglichkeit“) und einer übers Selbst-mal-im-Drillcamp-fertiggemacht-werden („Drillcamps kann man im Internet bei Erlebnisagenturen buchen, z.B. ab 79 Euro bei Jochen Schweitzer“). Danach freue ich mich über den Bericht zu „Rollerman“ Jean Yves Blondeau, denn da macht zur Abwechslung jemand anderes was Verrücktes. Der Kerl soll nicht mal Bremsen am Anzug haben. Krass.
Apropos Bremsen: Vom Weltgeschehen ausgebremst wurde eins der Coupé-Titelthemen. Während die Geschichte „So kommst du zu ´nem geilen Dreier“ auch in Zeiten arabischer Revolutionen funktioniert, ist das beim Formel-1-Start in Bahrain („Heißer Auftakt in der Wüste“) anders. Denn das Rennen wurde bekanntlich abgesagt – nach Redaktionsschluss. So kann sich der Coupé-Leser zwar Bilder des Inselstaats anschauen, weiß aber längst, dass in diesem Land erstmal kein Formel-1-Wagen fährt. Die Unwägbarkeiten des Zeitschriften-Machens. Da machst du nichts. Oder Sie?
Zwischen Duzen und Siezen kann sich die Coupé nicht entscheiden. Auf dem Cover heißt es zum Beispiel „So kommst du zu ´nem geilen Dreier“, im Heft „Wir verraten Ihnen, wie Sie Ihre Freundin davon überzeugen“. Manchmal klingt die Zeitschrift durch das Siezen unfreiwillig seriös: „So ein Plastikexemplar der weiblichen Gestalt (Anmerkung: gemeint ist eine Gummipuppe) hat gegenüber der Wirklichkeit sogar erhebliche Vorzüge, die Sie unserer Top-Ten-Liste entnehmen können.“ Dann lieber noch ein Ansprache-neutraler Auszug aus Wielands Editorial: „Für alle, die mehr auf nackte Fakten stehen, haben wir sexy Hupen auf mehreren Seiten“.
Keinen Supreme-Likör, bitte!
Über die gesamte Heftlänge schwankt die Sprache zwischen langweilig und peinlich. So wird dem Leser zum Beispiel nahegelegt, die Bettgespielin mit diesem Spruch für den Dreier zu begeistern: „Wenn du mir einen bläst, kann sie doch danach den Samencocktail schlucken – dir schmeckt mein Supreme-Likör ja nicht so gut.“ Ich will nicht wissen, welche Cocktails an der Coupé-Bar zusammengewichsmixt werden (um auf passendem Niveau zu bleiben). In einem Dildo-Tipp wird es gar poetisch: „Nicht nur im Ring ist er der King, vor allem nett wird es mit ihm im Bett.“ Auch das Wortspiel „man(n)“ liest „man(n)“ mehr als einmal (hier zur abschreckenden Wirkung doppelt zitiert).
Doch nicht nur die Formulierungen des Hefts nerven zuweilen, sondern auch die Inhalte. Tiefpunkt ist ein Artikel über die „Honeymoon-Suite“ des „Alpeniglu-Dorfs“. Der liest sich wie ein Werbetext und ist auch einer. Mit Ausnahme des Vorspanns wurde der Text einfach von der Alpeniglu-Website kopiert – inklusive „®“ hinter dem Wort Alpeniglu. So sieht wohl Journalismus à la Coupé aus. Dabei hätte sich das Thema wunderbar in einem Erlebnisbericht eines Autors umsetzen lassen.
Der Alpeniglu-Text ist leider keine Ausnahme. Weiter hinten im Heft folgen sechs Seiten „Reportage“ über Gunther von Hagens` Ausstellung „Körperwelten der Tiere“. Unter der Überschrift „Fragen und Antworten“ wurden darin einfach die „Fragen & Antworten“ von der Ausstellungshomepage übernommen. Einige Fragen fielen weg, eine Antwort wurde um einen Satz erweitert. Auch die „Daten und Fakten“ stammen aus der Ausstellungsinformation. Und wer diese Broschüre kennt, braucht den Haupttext nicht zu lesen. Der besteht vor allem aus Hagens-Zitaten und Satzfetzen, die in eben jenem PDF stehen.
Selbst zu Guttenberg wäre geschockt
Noch schlimmer sind die Medientipps. Welchen Nutzen bieten Tipps, Rezensionen oder wie auch immer man sie nennt, wenn sie zu 95 Prozent aus Produktbeschreibungen der Anbieter bestehen? So findet sich zum Beispiel der komplette Text zu „The Rite – Das Ritual“ auf der Facebook-Seite des Films. In keiner von elf Filmvorstellungen schafft es die Coupé-Redaktion, mehr als einen eigenen Satz zu formulieren.
Das gleiche Bild bei den Game-Tipps: Den Text zu „Killzone 3“ gibt es zum Beispiel bei „Amazon“, den zu „Assassins’s Creed: Brotherhood“ direkt auf der Hersteller-Website. Die Zeilen zum Buch „Gestrafft und Abgesaugt“ stehen mit vier Anführungszeichen, einem Adjektiv und dem zusätzlichen Wort „sogenannten“ auf der Homepage des Autors. Die Arbeitsweise der Coupé-Kritiker dürfte selbst einen zu Guttenberg schocken. Die große Anstrengung des Schreibers besteht wohl darin, ein paar Produkte auszusuchen. Das Foto des Monats März, doppelseitig abgedruckt, stammt übrigens aus einem der vorgestellten Bücher.
Nun habe ich aber genug geflucht. Gibt es in der Coupé nicht auch etwas Gutes? Okay, es gibt eine nette Fotostrecke von den spektakulärsten Löchern der Welt. Und mit Löchern ist selbst in diesem Heft sowas gemeint. Auch die Fotostrecken von „Trend-Girl Riva“ und „Street-Girl Lucy“ konnte ich ohne Fremdschämen anschauen, wenngleich sie jede Playboy-Ästhetik vermissen lassen.
Rasierende Uschis und offene Lotusblüten
Hängengeblieben bin ich beim Interview mit Pornostar „Mia Magma“ – aus zwei Gründen. Einerseits fragte ich mich, warum über einem von der Coupé geführten Gespräch eigentlich „Anzeige“ steht. Und anderseits habe ich mich gewundert, woher ich die interviewte Dame kannte – inklusive Namen. Doch bevor ich in die Video-Recherche einsteigen konnte, fiel es mir ein. Ich hatte vor Kurzem ein Interview mit ihr in der TV4Men gelesen. So schließt sich der Kreis zwischen meinen Berichten.
Sexhotline-Anzeigen gibt es in der Coupé auf 14 Seiten. Von „rasierenden Uschis“ („Wir lassen uns rasieren und dann ordentlich frisieren“) über „Damen65+“ („Juckt es noch immer“) bis zur jungen Asiatin („Meine Lotusblüte ist geöffnet“) ist für jeden Geschmack und jeden Anspruch etwas dabei. Auch wer auf Überraschungen steht, findet die passende Nummer: „Mann oder Frau? Probier es aus!“ Ein Sex-Sammelsurium. Ob 99 Cent pro Minute wirklich ein „Fair-Fick-Preis“ sind, wie eine Anzeige behauptet, darüber lässt sich streiten. Die meisten Hotlines sind ohnehin teurer. Zu den kleinen Anzeigen kommen noch größere Eigeninserate der Coupé, etwa Werbung für die Seitensprung-Agentur „Coupé Sex-Affäre“ („Garantiert – keine Profis, keine Gewerbetreibenden. Nur ehrlicher Sex.“). So weit, so schäbig.
Coupé – ein Fazit
Für mich war die Lektüre der Coupé eine einzige Enttäuschung. Kein Wunder, bei den hohen Erwartungen. Herr Wieland, Sie haben übertrieben. Nicht jede Seite Ihres Heftes besteht aus sensationellen Bildern und spannenden Infos. Nicht mal jede zweite. Und auch nicht jede dritte. Selbst wenn ein Bild spektakulär ist, sind es die Infos daneben selten. Für mich ist Ihr Heft ein Reinfall.
Stellen Sie sich vor, Ihre Coupé wäre eine Frau: Sie könnte sich nicht entscheiden („Du“? „Sie?“), sie würde nur die Phrasen anderer Leute nachplappern (Pressematerial) und sie käme aus einem zwielichtigen Umfeld (Sexanzeigen). Und dann würde sie auch noch Geld kosten. Zumindest ich fände diese Frau nicht sonderlich attraktiv. Aber Geschmäcker sind verschieden. Schöne Grüße.
Infos zum Heft
Die Coupé erscheint monatlich im Pabel Moewig Verlag. Dieser veröffentlicht Hefte zahlreicher Gattungen, darunter das Zweite-Weltkriegs-Magazin „Landser“, die Horoskop-Zeitschrift „Astrowoche“ und die Kinderzeitschrift „Bussi Bär“. Der Verlag ist ein Unternehmen der „Yvonne Bauer Redaktions KG“, der fast alle deutschen Redaktionen der „Bauer Media Group“ gehören.
In der Heftübersicht des Verlags findet sich kein Hinweis auf die Coupé. Nur unter dem Punkt „Mediainfo“ wird das Heft aufgeführt. Die Anzeigenpreislisten zeigen, dass Pabel Moewig weitere Erotikmagazine wie „Super Sexy“, „Sexwoche“ und „Blitz Illu“ publiziert.
Die letzten IVW-Zahlen wurden im ersten Quartal 2009 gemeldet. Laut den Daten von PZ-Online wurden damals 35.027 Exemplare pro Ausgabe verkauft. Derzeit findet die Coupé nach Verlagsangaben 40.500 Käufer. Die erste Ausgabe erschien im Jahr 1988.
Ein Heft kostet 3,30 Euro. Beschrieben wurde die Ausgabe 3/2011. Sie hat 100 Seiten.
(Hinweis: Links zu den Websites der Erotikmagazine (von der wesentlich jugendfreundlicheren „Playboy“-Startseite abgesehen) habe ich bewusst nicht gesetzt. Wer sich für die entsprechenden Websites interessiert, dürfte über Google selbst fündig werden.)