Ist diese Zeitschrift schuld an allen Verspätungen? Lesen Deutschlands Busfahrer an jeder Kreuzung „Busfahrer“? Unwahrscheinlich. Fürs Handschuhfach gibt es aufregendere Hefte.
Eine gute Idee darf naheliegen. Warum sollte man Zeitschriften nicht nach ihrer Zielgruppe benennen? Sooo süss hieße fortan „Nasenfetischist“, Ufos & Kornkreise „Ufo-Opfer“, die Super-Illu „Ossi“. Und Business Punk dürfte seinen Namen behalten. Schließlich scheint es tatsächlich Bürohengste zu geben, die ein Heft mit der Schlagzeile „Fickileaks: Sex im Büro ist eine schlechte Idee, aber trotzdem ganz geil“ kaufen. Mit einem Blick könnten Kioskkunden erkennen, welches Magazin für sie das richtige ist.
Die Fachzeitschrift „Busfahrer“ lässt schon jetzt ihren Titel für sich sprechen. Auch das überladene Cover verrät sofort, was den Leser erwartet: Busse, Busse und ein paar Neuigkeiten übers Busfahren. Dazu Berichte über Modellbusse, Wasserbusse und Wohnbusse. Und über den „Superbus„. Und den Airbus. Und den Cottbus. Und den Incubus. Dieses Heft ist ein Sommernachtstraum für alle, die in langweiligen Linienbussen oder Wracks umher tuckern.
Tiger frisst Busfahrer
Eine Busfahrer-Ausgabe besteht aus vier Ressorts: „Aktuell“, „Service“, „Report“ und „Technik“. Los geht es mit launigen Kurznachrichten, zum Beispiel „Tiger frisst Busfahrer“. Vor den Augen seiner Fahrgäste sei ein chinesischer Busfahrer von einem Sibirischen Tiger angegriffen worden. „Na, Mahlzeit“, kommentiert die Busfahrer-Redaktion. Bestimmt lacht darüber dieser fiese Fahrer, der immer losfährt, wenn ich mit letzter Kraft gegen die Tür hämmere. Oder niemand. Zwischen viel Service (Wie teuer ist das Bußgeld in Italien?) versteckt sich noch die Meldung, dass eine litauische Busfirma plant, ihre Angestellten nach dem Körpergewicht zu bezahlen. Bekloppte Buswelt.
Mit gewichtigeren Themen beschäftigt sich der hintere Heftteil. Auf acht Seiten wird dort das Auswandern in die Schweiz schmackhaft gemacht („Hohe Löhne und ein sicherer Arbeitsplatz“, „In der Schweiz macht Busfahren noch Spaß“). Davor, dass becircte Busfahrer beim Umsiedeln ewig die Hauptstadt des Nachbarlandes suchen, bewahrt sie ein Merkzettel zum Ausschneiden und Abheften (die Schweiz hat nämlich nur eine Bundesstadt) – soviel Service muss sein. Auch dem Super-GAU widmet sich das Heft. Der ist in diesem Fall aber keine Atomkatastrophe, sondern ein Brand im Bus. Mehrere Fahrer erzählen ihre Feuergeschichten, Notfalltipps ergänzen den fünfseitigen Artikel.
Finde den 20-Tonner!
Spannend fand ich einen Report über den Linienbus der Zukunft. Die Türen, durch die man einsteigen soll, leuchten in diesem Fahrzeug grün. Drinnen zeigen Lampen über den Sitzen an, ob ein Platz frei ist. Und weil Fahrgäste mittels ihres Handys identifiziert werden, ist selbst das Ticketziehen überflüssig. Wie das alles funktioniert, zeigt dieses Video (ab Minute 2:40). Auch eine Reportage über einen kanadischen Gletscherbus hat mir gefallen. Ausführlich präsentiert sich im Busfahrer der „Supertest“, der ein Fahrzeug in 36 Kategorien bewertet, von der Armaturenbeleuchtung über das Müllkonzept bis zum Klo. Das Handling des T917 Altano beschreibt der Tester so: „Es ist eine wahre Freude, auch sehr schlechte Straßen mit diesem Bus ´glattzubügeln´“. Klingt gut.
Handwerklich überzeugt das Heft weitgehend, einige Seiten wirken allerdings unfreiwillig komisch. Auf dem Poster in Heftmitte exisitieren zum Beispiel so viele Lichtquellen und Reflexionen, dass es beinahe als Suchbild durchgeht („Finde den 20-Tonner!„). Auf einer anderen Seite wird eine Auszubildende vorgestellt, die fast beim Busfahrer-Wissenswettwerb gewann. „Von wegen Männerdomäne“ heißt es im Vorspann der Geschichte „Frau am Steuer“. Das passende Bild dazu: Die zweitplatzierte Azubine umstellt von sieben Männern. Von wegen Männerdomäne. Tatsächlich werden im Heft fast nur Männer gezeigt. Sogar der Bus von der Titelseite wird beschrieben als „männlichste Versuchung, seit es Busse gibt“.
„Größe XXL“ oder „Kurz und gut“
Bis sich mehr Frauen in den Fahrerkabinen und im Heft tummeln, hilft einsamen Busfahrern vielleicht ein Blick in den „Stellenmarkt“. Dort wirbt eine Anzeige für „Rastplatz-Fantasien“. Die sind vermutlich aber alles andere als fantastisch. Sendet man für 1,99 Euro „BUS“ an eine fünfstellige Nummer, landet man lediglich in einem moderierten Chat. Da dürfte eine Durchsage im eigenen Bus erfolgsversprechender sein: „Endhaltestelle heute: mein Schlafzimmer. Und Sie, werte Seniorin, müssen leider schon hier raus“. Wenn die Masche nicht zieht, hat man zumindest mehr Freizeit – der Suspendierung sei Dank.
Apropos Freizeit: Auf die Frage, was Busfahrer außer ihrem Job interessiert, will man nach der Zeitschriftenlektüre zweisilbig antworten: Busse?! Ganz nach dem Motto „Erst die Arbeit und dann die Arbeit nachspielen“ wird unter anderem eine Bussimulation vorgestellt. Weiter empfiehlt die Redaktion das Quartett „Busfahrers Lieblinge“, in dem die Fahrzeuge in Kategorien wie „Größe XXL“ und „Kurz und gut“ geordnet sind.
Jargon, Umgangssprache und Kauderwelsch
Die Sprache im Heft wechselt zwischen Busfahrerjargon („Schlechtwegstrecken“), Umgangssprache („Warum muss man für die Pieselpause an der Raststätte zahlen?“) und kompliziertem Kauderwelsch („Enge definiert sich anders. Und als wäre dieser Überfluss noch nicht ausreichend, …“). Aus manchen Formulierungen trieft der Kitsch. „Es sind Freundschaften entstanden. Virtuelle hauptsächlich. Doch aus Bits und Bytes wurden menschliche Gene“, heißt es etwa im Kontext eines Fahrertreffens, das per Internet organisiert wurde. Vielleicht stammen wir doch alle von Robotern ab.
Ansonsten stören mich an der Zeitschrift vor allem Kleinigkeiten: Mal fehlt acht Seiten lang die Seitenzahl, mal die Lösung eines Bilderrätsels. Dafür enthält sogar das Kreuzworträtsel Begriffe aus der Berufswelt („Reisekoffermaterial“ mit fünf Buchstaben?). Weil es insgesamt nur 5 1/2 Seiten Anzeigenseiten gibt, liest sich das Heft angenehm.
Busfahrer – ein Fazit
Busfahrer ist eine ordentlich bis gut gemachte Fachzeitschrift. Im Editorial nimmt sich das Heft aber zu wichtig. „Der BUSFahrer ist Ihr täglicher Begleiter, auf der Linie in Bochum genauso wie unterwegs im sonnigen Spanien“, heißt es dort. Das ist übertrieben, als täglicher Begleiter taugt das Heft nicht. Nach zwei Stunden hatte ich die meisten Texte gelesen und mich an reflektierenden Scheiben und leeren Sitzreihen sattgesehen. Wagen hält, Heft raus.
Auch echte Busfahrer dürften nicht ewig in der Zeitschrift herumblättern. Fürs Handschuhfach gibt es aufregendere Magazine. Mit 3,90 Euro ist der Preis des Heftes akzeptabel.
Ach ja, noch was: Auf der Busfahrer-Website würde dieser Text wohl so enden: „P.S.: Wir lieben Busse.“ Als würde man das nicht sofort merken.
Infos zum Heft
Busfahrer (eigentlich: BUSFahrer) erscheint vierteljährlich bei den Springer Fachmedien München, laut Selbstbeschreibung „einem der führenden Fachverlage für die Verkehrsbranche“. Er veröffentlicht unter anderem noch die Titel „Tankstellen Markt“ und „Trucker“. Mit Axel Springer, der Heimat von BILD, hat der Verlag nichts zu tun.
Die Zeitschrift existiert seit 2004. Nach Verlagsangaben richtet sie sich an Busfahrer, Businteressierte und Busunternehmen. Ihre gedruckte Auflage beträgt 16.000 Exemplare.
Busfahrer kostet 3,90 Euro. Beschrieben wurde die Ausgabe 1/2011. Sie hat 84 Seiten.