Auf Zeitschriftentiteln wurden schon größere Versprechen gemacht als „Infos, Stars und Interviews“. Bitter, wenn ein Heft nicht mal das einlöst. „Top in Fußball – Frauen WM 2011“ wirkt wie der Beipackzettel eines Plastikfähnchens. Für 5,95 Euro.
Ich wollte doch nur Fachwissen vortäuschen. Wollte daherreden: „Die spielt gut, die Bianca Schmidt!“ und „Ein Glück, dass Robyn Gayle nicht zielen kann“. Wollte hören: „Krass, du kennst sogar die Kanadierinnen“. Also kaufte ich mir ein Magazin zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Gebracht hat es nichts. Dafür habe ich jetzt ein Deutschland-Autofähnchen. Nur leider kein Auto.
Das Magazin meiner Wahl heißt „Frauen WM 2011“ und ist ein Sonderheft von „Top in Fußball“. Ich weiß nicht, was genau „Top in Fußball“ ist, bilde mir aber ein, schon Zeitschriften mit diesem Logo gesehen zu haben. Im Bahnhofsbuchhandel versteckten sie sich meistens hinter Sport Bild, 11Freunde und Kicker. Veröffentlicht wird das WM-Heft von der bpa sportpresse, einem Verlag, der schon auf seiner Homepage beweist, wie viel Energie er in aktuelle Sportberichterstattung investiert. Bis heute kann der Nutzer dort tippen, wer Deutscher Meister 2011 wird: Bayern vielleicht? Bremen oder Hamburg? Champion Dortmund steht nicht zur Auswahl, man kann höchstens für „ein anderer Verein“ stimmen.
Aber was soll’s? Entscheidend ist bekanntlich auf’m Platz im Heft. Im Fall von „Frauen WM 2011“ ist dieses komplett eingeschweißt – offiziell wohl, damit das Fähnchen nicht verlorengeht. Vielleicht ist es aber auch ein Psychotrick, um Leute wie mich zum Kauf anzuregen. Denn tief in mir glaube ich an das Gute, sogar in Wundertüten. Und erst recht, wenn neben „Infos, Stars und Interviews!“ noch „Die Frauen-WM von ihrer schönsten Seite“ auf dem Cover steht. Dann kaufe ich auch ein Heft, durch das ich vorher nicht blättern konnte. Ein Heft, das theoretisch aus einer einzigen Doppelseite bestehen könnte, auf der einem der Verleger den Mittelfinger zeigt. Denn sein Geld hat er dann ja.
Namenlose Nationalspielerinnen
Machen wir’s kurz: Das Heft hat immerhin 84 Seiten und niemand stänkert gegen den Leser. Ein Wunder konnte ich in der Tüte aber auch nicht finden. Das Magazin beginnt mit einer Mischung aus Fotos und Meldungen rund um die WM – etwa der, dass es die deutsche Trainerin Silvia Neid als Barbie-Puppe zu kaufen gibt („Das macht mich stolz, ich fühle mich geehrt“). Grandiose Idee. Ich persönlich fände Handpuppen von Jogi Löw und Michael Ballack aufregender – bei dem Theater, was die beiden derzeit machen. Auf die Meldungen folgt ein Kommentar zu den deutschen Titelchancen (Tenor: Der Titel ist drin!), ein Interview mit Linda Bresonik (Der Titel ist drin!) und eine Zusammenfassung der WM-Historie der Frauen (Der Titel ist wieder drin!). Das alles liest sich nett, ist aber in etwa so überraschend wie das ARD-Programm um 20 Uhr.
Im zweiten Heftteil werden alle Teams doppelseitig vorgestellt, mit Kadern, Qualifikationsergebnissen, Trainern, einigen Stars sowie einer Prognose für das Turnierabschneiden. Standard-Statistik eben. Wahnsinnig stört mich allerdings, dass bei keinem Mannschaftsfoto die Namen dabei stehen. Ich sehe jeweils elf Damen und habe nicht die geringste Ahnung, wer davon wer ist. Nicht mal die deutschen Nationalspielerinnen erkenne ich, wenn ich sie ab morgen im Fernsehen sehe. Dabei wird das deutsche Team sogar ein zweites Mal auf einem Poster abgebildet. Die Infos zu den Kickerinnen beschränken sich jeweils auf Position und Alter. Ich muss ja nicht gleich Gewicht, Schuhgröße und Telefonnummer erfahren – aber die Vereinszugehörigkeit oder die Zahl der Länderspiele hätte die Redaktion schon recherchieren können.
Vier Seiten voll Promi-Plattitüden
Schaut man sich die Teamseiten an, wirkt der Coverspruch „Die Frauen-WM von ihrer schönsten Seite“ übrigens wie Satire – alle Seiten sehen ähnlich aus, und zwar ähnlich langweilig. Nach den Mannschaftsporträts geht es in ebenso unspektakulärem Layout weiter. Zuerst werden die WM-Spielorte vorgestellt („Es wäre nicht fair, Leverkusen einzig und allein auf die Bayer AG zu reduzieren“), dann folgt Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, über die bereits bei den Meldungen berichtet wurde. Öde.
Noch öder sind die vier folgenden Seiten, die aus Promi-Plattitüden bestehen – mal vom ehemaligen Bundespräsident Horst Köhler (Wie viele Jahre ist sein Zitat eigentlich alt?), mal von Skirennläuferin Maria Riesch. Sie schafft es, in einem Satz zweimal das Gleiche zu sagen: „Dieses Festival des Frauenfußballs im Sommer 2011 wird ein schönes Fußballfest sein“. Basketballer Steve Nash äußert sich dagegen gar nicht zur WM. „Von meinem Investment in die Frauenfußballliga erhoffe ich in erster Linie keinen finanziellen Gewinn“, verrät er. Aha.
Altes Heft, gleiches Cover
Hat man sich erstmal durch das Heft gekämpft, sollte man lieber nicht mehr auf das Cover schauen. Dem Blutdruck zuliebe. Dort steht nämlich „Interviews“. Ein Plural – und eine Lüge. Im ganzen Heft gibt es ein einziges Interview, das mit Linda Bresonik. Wie schafft man es als Zeitschriftenmacher bitte, nicht mal ein 08/15-Versprechen wie dieses einzulösen?
Noch mehr Unverständnis löst bei mir eine der Verlagseigenanzeigen aus (normale Anzeigen gibt es nicht). Angepriesen wird ein „Sport Planer“ zur WM – mit Kadern, Stadien und Terminen. Liebe bpa sportpresse, ist das nicht genau das, was auch in „Frauen WM 2011“ steht? Wofür bräuchte ich diesen Sportplaner? Warum hat er das gleiche Covermotiv? Und wieso erschien er bereits im Dezember – Monate vor der WM? Damit ihr jetzt ein weiteres belangloses Heft nachlegen konntet?
Fragen, die wohl unbeantwortet bleiben. Vielleicht ist es das Beste, nicht lang über dieses Magazin nachzudenken. Vielleicht dient „Frauen WM 2011“ nur dazu, alte Fähnchen loszuwerden. Denn eins davon ist neben einem Spielplan ja auch noch in der Tüte. Und so ein paar Fähnchen könnten bei der bpa sportpresse noch übrig sein, vom „Top in Fußball“-Sonderheft zur Herren-WM 2010. Aber das ist Spekulation.
Frauen WM 2011 – ein Fazit
Was bleibt nach nicht mal 90 Minuten Lektüre? Das Gefühl, den Beipackzettel eines Autofähnchens gelesen zu haben. Ein Heft voller oberflächlicher Informationen, das man freiwillig nur anrührt, wenn die eigene Gesundheit davon abhängt. Selbst das Gruppenspiel zwischen Äquatorial-Guinea und Australien ist vermutlich aufregender als dieses Magazin, das beiden Teams ein Vorrunden-Aus prognostiziert.
„Frauen WM 2011“ ist zudem maßlos überteuert – Fähnchen hin oder her. Im Ramschladen gibt es die Plastikvariante für einen Euro. Anstatt 5,95 Euro für diese Zeitschrift zu verballern, sollten sich WM-Interessierte zwei Bier in der Sportkneipe gönnen. Und dabei unsere Nationalelf anfeuern.
Infos zum Heft
Top in Fußball: Frauen WM 2011 erscheint bei der bpa sportpresse. Der Verlag veröffentlicht weitere Sportzeitschriften, darunter ein Fußballheft, das sich ausschließlich mit dem FC Bayern München beschäftigt. An Formel-1-Fans richtet sich zum Beispiel das Rennmagazin F1 Racing. Für Volksmusikfans hat die bpa sportpresse das Heft „Schlagerhits“ im Angebot.
Eine Anfrage zur Auflage des WM-Sonderheftes hat mir der Verlag nicht beantwortet. Auch die Frage, worum es im Sonderheft 1/2011 ging, blieb ungeklärt. Auf der Verlagshomepage wird das Heft nicht erwähnt.
Das Magazin kostet 5,95 Euro inklusive eines Autofähnchen und eines Spielplans. Beschrieben wurde das Sonderheft 2/2011. Es hat 84 Seiten.