Entdeckt (18): Premius – Prädikat: Papiermüll

„Premius“ ist aus vielerlei Gründen ein besonderes Testmagazin. Zum Beispiel, weil es nichts testet. Weil es sich liest wie ein Unternehmensflyer. Und, weil es der Info-Elite erklärt, wie das Wandern funktioniert.

Premiuscover

Ja, ich bin ein Gutscheinopfer. Manche Dinge kaufe ich nur, weil sie billiger sind. Deshalb ist es kein Zufall, dass ich bei Twitter einem Schnäppchenportal folge. Es ist kalkulierter Wahnsinn. Durch meinen Sparfetisch bin ich auch zur Zeitschrift Premius gekommen. Ich wurde schwach, als mir ein Coupon einen Euro Rabatt beim Heftkauf versprach. Im Nachhinein hätte ich lieber in Kaugummizigaretten investieren sollen. Oder in Fußballsticker zur Frauen-WM. In irgendetwas Sinnvolleres als diese Zeitschrift.

Premius bezeichnet sich selbst als „Test-Magazin“. Dabei führt das Heft nicht mal eigene Tests durch. Es berichtet in erster Linie über die Sieger aus fremden Vergleichstests. Und wie berichtet man über Sieger? Als ehemaliger Messdiener fällt mir das Wort „beweihräuchernd“ ein. So wird am Ende jedes großen Testberichts Berichts über einen Test ein Vertreter des Unternehmens interviewt. Dabei werden ihm Fragen gestellt wie: „Sie sind zum wiederholten Mal mit großen Punkteabstand Testsieger geworden. Warum schaffen es die anderen Kassen Ihrer Meinung nach nicht, zur Techniker Krankenkasse aufzuschließen?“ Man könnte auch direkt fragen: „Dürfen wir Ihnen kurz in den Arsch kriechen?“

Aus seiner Sympathie für die Testsieger macht Premius kein Geheimnis. Eine Verlagsbroschüre fasst den Sinn des Heftes so zusammen: „Premius rollt einen roten Teppich zwischen Kunden und dem als erfolgreich getesteten Unternehmen aus“. Wie genau dieser Satz zu interpretieren ist, bleibt unklar. Vielleicht ja so: „Der journalistische Wert unseres Heftes entspricht dem eines Teppichs.“

AachenMünchener überall

Ausgerechnet in seinem „Test“-Teil liest sich Premius über weite Strecken wie ein Unternehmensflyer. So berichtet das Heft zum Beispiel, dass die AachenMünchener in einem Altersvorsorgetest das beste Ergebnis erzielte. Im Artikel wird dazu ein Experte der AachenMünchener zitiert. Dann gibt es noch ein Interview mit dem Vorstandschef der Deutschen Vermögensberatung (sein Unternehmen betreut die Kunden der AachenMünchener) und eine Erwähnung im Editorial: „Empfehlen die Experten der Deutschen Vermögensberatung ihren Kunden ein auf sie zugeschnittenes Altersvorsorgepaket der AachenMünchener, haben die Sparer mehr im Ruhestand“. Und zusätzlich sorgt die AachenMünchener selbst für das Sahnehäubchen: mit einer Anzeige am Heftanfang. Präsenter könnte das Unternehmen wohl nur in einem eigenen Kundenmagazin sein.

Mit manchen Firmen geht Premius schon im Vorspann auf Kuschelkurs. Ein Artikel zum Handykauf beginnt etwa so: „57 Millionen Deutsche besitzen ein Handy. Doch eine gute Beratung […] ist nicht selbstverständlich – außer beim Testsieger The Phone House„. Rhetorisch lässt sich diese Aussage zwar mit Testergebnissen rechtfertigen, bei denen The Phone House die Note „gut“ bekam und die Konkurrenz ein „befriedigend“. Tatsächlich sind die Abstände zwischen den Firmen aber winzig, wie eine Info-Box mit den Top Drei des Tests zeigt: The Phone House erzielte 70,3 Punkte, E-Plus 68,7 und Mobilcom Debitel 68,5.

Vor allem der Service zählt

Die meisten Vergleichstests, die Premius wiederkäut, stammen vom Deutschen Institut für Servicequalität (DISQ). In diesem Zusammenhang sollte man wissen, dass das DISQ Unternehmen vor allem in Bezug auf ihren Service bewertet. Das bedeutet, dass Telefonhotline und Internetauftritt mitunter genauso wichtig sind, wie die Produkte oder Dienstleistungen, die das Unternehmen anbietet. Der Premius-Leser erfährt diese Bewertungskriterien nur in Kurzfassung – so will es das Heftkonzept.

Chefredakteur Andreas Busch schreibt auf einem Premius-Werbezettel: „Im `Premius Test-Magazin` lesen Sie keine seitenlangen Berichte über das Design von Tests, keine detaillierten Abhandlungen darüber, warum wer schlecht abgeschnitten hat“. „Keine detaillierten Abhandlungen“ ist dabei maßlos untertrieben. In der Regel verrät Premius nicht einmal, welche anderen Unternehmen überhaupt noch am Test teilgenommen haben.

Enthüllungen übers Wandern

Auch außerhalb des Testteils schafft es das Magazin, mir auf die Nerven zu gehen. Fast jeder Text beginnt mit dem Hinweis auf irgendeine Studie, die irgendwer irgendwann mal über irgendetwas durchgeführt hat. So tut Premius in einer Wandergeschichte, als würde es Staatsgeheimnisse enthüllen: „Der Deutsche Wanderverband bringt es ans Licht: Über die Hälfte der Deutschen bekennt sich zum sportlichen Spazieren“. Und es geht spektakulär weiter: „Laut der ´1. nationalen Grundlagenstudie Wandern´ werden 2060 mehr als 60 Prozent der Deutschen wandern“. Das sind die also die wahren Ausmaße des demografischen Wandels.

Immerhin verrät Premius noch mehr Wichtiges – etwa, wie dieses Wandern überhaupt funktioniert. „Wandern – das heißt eigentlich nur Schuhe anziehen und raus“, erfährt man. „Und so geht es: Einfach immer vorwärts! […] Und da Wandern so multivariabel ist, was die Länge der Strecke und die Dauer einer Tour und jeweiligen Schwierigkeitsgrad angeht, ist es für die ganze Familie geeignet.“ Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Premius nach Verlagsangaben von Leuten gelesen wird, die zur „Info-Elite“ gehören?

Symbolfoto vom Schweinehund

Die übrigen Servicegeschichten, die das Heft vor und nach dem Testteil füllen, sind keine Besprechung wert. Standardkost. So findet der Leser unter anderem „20 Spartipps für Ihren Wagen“ (Motor aus im Stand, vorausschauend fahren, keine Kurzfahrten und so weiter), ein Interview mit einem Klimawandelskeptiker („Treiben wir mit den regenerativen Energien den Teufel mit dem Beelzebub aus?“) oder die Seite „Servicewüste Deutschland“, auf der sich ein nicht genannter Schreiber über das Restaurant eines nicht genannten TV-Kochs beschwert. Als gäbe es nur einen davon.

Das Durchdachteste an Premius ist sein Layout. Die Seiten wirken aufgeräumt und strahlen sogar einen Hauch Seriosität aus. Den Gesamteindruck trübt allerdings, dass fast alle Geschichten mit Symbolbildern illustriert werden. Nett aussehende Menschen lächeln vor sich hin. Vielleicht belächeln sie auch die Bildunterschriften, zum Beispiel „Sparen am Steuer: Halter, die weniger ausgeben, fahren fröhlicher“ und „Schlafende Frau: Mit neuen Hybrid-Lebensversicherungen ruhige Nächte haben“.

Premius ist übrigens das erste Heft, in dem mir ein Symbolfoto des inneren Schweinehunds begegnete. Danach hat mich nichts mehr überrascht. Auch nicht, dass die Seitenzahlen dreistellig sind – in einem Heft, dessen Inhalt auf Seite 098 endet.

Premius – ein Fazit

Obwohl es mit Sparcoupon nur einen Euro gekostet hat: Meiner Meinung nach ist Premius Geldverschwendung. Kein Verbraucher braucht ein Testheft, das fremde Tests wiederkäut und mit PR-Zitaten anreichert. Weil Premius sich stellenweise wie ein Unternehmensflyer liest, kann man das Magazin höchstens betrunken glaubwürdig finden. Meine Bewertung: bestens geeignet für den Papiermüll.

Schon das Heftkonzept, sich ausschließlich den Testsiegern zu widmen, widerspricht meinen Erwartungen an ein Testheft. Ein solches kaufe ich mir auch, um zu erfahren, von welchen Anbietern ich lieber die Finger lassen sollte. Und nicht, um zu wissen, welches Unternehmen zwei Pünktchen mehr bekommen hat als das zweitbeste.

Manchmal kaufe ich mir ein Testheft aber auch, weil es mit Gutschein einen Euro billiger ist. Ich Opfer.

Infos zum Heft

Premius (eigentlich: PREMIUS) erscheint vierteljährlich in der Hamburger Premius GmbH. Die Zeitschrift kam im Frühjahr 2010 auf dem Markt. Mit den fünf Ausgaben, die seitdem erschienen sind, hat sich Premius schon zwei Rügen vom Deutschen Presserat eingehandelt – die letzte mit dem Heft 2/2011. Redaktioneller Inhalt und Werbung waren in einem Artikel nicht klar genug voneinander getrennt.

Nach den Mediadaten des Verlags wird jedes Premius-Heft 100.000 Mal gedruckt. Die verbreitete Auflage, zu der neben den verkauften Heften zum Beispiel Exemplare für Flugreisende zählen, liegt laut Verlag bei 47.772 Exemplaren.

Das Heft kostet zwei Euro. Beschrieben wurde die Ausgabe 2/2011. Sie hat 100 Seiten.

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