Inhaltlich solide, optisch super: Das Männer-Reisemagazin „Capz“ könnte selbst Reisemuffeln gefallen. Auf 214 Seiten präsentiert es Tiger, Surfer und das Ruhrgebiet. Leider parkt ein Kleinwagen manch schönes Foto zu.
Es gibt interessante Zeitschriften und Autozeitschriften. Kein Thema lässt mich so kalt wie alte und neue Karren. Ein Wagen, den andere Menschen als inspirierend oder gar sexy beschreiben, berührt mich kaum mehr als ein Staubsauger. Der ist potenziell ja auch ein faszinierendes Stück Technik. Ähnlich suspekt wie Autohefte sind mir Reisezeitschriften. Nicht, weil ich Reisen hasse, sondern, weil ich in diesen Monaten einfach keine Lust habe, mir Hochglanzfotos der schönsten und teuersten Hotels Nordafrikas anzusehen. Zudem finde ich es anstrengend, ständig darüber nachzudenken, ob ich gerade einen Artikel oder den PR-Text eines Reiseveranstalters lese. Die Grenzen sind da ja oft fließend.
Wenn ich für dieses Blog also ausnahmsweise ein Reiseheft lese, dann nicht irgendeins. Ich habe nach einem gesucht, das möglichst krass mit den Standards dieses Genres bricht. Damit es für mich nur halb so schlimm wird – oder ganz schlimm. Gelandet bin ich bei „Capz“, einem „Reisekulturmagazin“. Diese Unterzeile klingt fast bescheiden im Vergleich zum Marketing-Blabla des Verlags, der das Heft als „progressives High-End Reisemagazin“ anpreist. Konkreter ist das Werbeversprechen, dass Capz „abseits der üblichen Mainstream-Themen die Welt entdeckt“. Ich bin gespannt. Kann mich ausgerechnet dieses selbstgefällige Heft für den Reisejournalismus begeistern?
Die Schönheit reiner Textseiten
Auf den ersten Blick: ja. Optisch ist Capz nämlich beeindruckend (hier kann man das Heft durchblättern). Das fängt an beim schlichten und nicht nur wegen des tiefen Einblicks schicken Cover und setzt sich bei den Seitenlayouts fort. Dort überzeugt das Magazin mit einer einfachen wie prägnanten Typographie, kombiniert mit vielen Fotos, zum Teil im Schnappschuss-Stil. Diese Aufmachung lässt das Heft experimentell wirken, fast wie ein Mode- oder Kunstmagazin, aber auch cool. Ich habe mich dabei erwischt, dass ich sogar eine reine Textseite stylisch fand. Viel Weißraum und zahlreichen Absätzen sei Dank.
Die Capz-Ausgabe „Stranger than Paradise“ (bei Rubrikennamen springt das Heft gern ins Englische) gliedert sich in zwei Abschnitte: „Wir sind verzaubert“ und „Einen Apfel später“. Auf sie verteilen sich die Themen nach einem Prinzip, das mir verborgen blieb. Eventuell hätte ich vorher die Paradies-Erzählung aus der Bibel lesen müssen. Wobei ich bezweifle, dass darin Wohnwagentrips oder Partyurlaube in Göteborg vorkommen. Schlimm ist dieses Chaos im Heft aber ohnehin nicht: Neben schönen Ressortstartseiten bietet Capz dem Querleser viele weitere Einstiege. Und seien es 08/15-Promi-Interviews, etwa mit Filmemacher Woody Allen, 007 Daniel Craig und dem Starkoch Ferran Adrià.
Lose Folge von Anekdoten
Ähnlich ungewöhnlich wie die Zielgruppe von Capz (Männer, im Idealfall reich und ohne Kinder, auf die Rücksicht genommen werden müsste) ist der Stil seiner Reisegeschichten. Sie lesen sich zwar politisch korrekter als etwa im Magazin Vice, wirken aber ähnlich subjektiv. Das bedeutet, wenn ein Capz-Autor auf seinem Städtetrip nur in drei Clubs war und mit drei Leuten gesprochen hat, dann wird meistens auch nur davon erzählt. Was die Stadt sonst noch ausmacht, muss der Leser selbst recherchieren.
Für Capz spricht, dass es nie versucht, die Subjektivität seiner Artikel zu verheimlichen. Das Heft macht sie vielmehr zum Konzept, viele Artikel sind aus der Ich- oder Wir-Perspektive geschrieben. Bei den stichwortartigen Vor-Ort-Tipps, die die Geschichten ergänzen, geht das Personalisieren so weit, dass Sätze vorkommen wie „Sagen Sie [in einer Bar], dass Amber Sie geschickt hat“. Nett. Leider funktioniert das puzzleteilartige Präsentieren von Orten nicht immer. Bei einer Geschichte über ein Surfer- und Skater-Viertel von Los Angeles hatte ich zum Beispiel den Eindruck, nur eine lose Folge von Anekdoten zu lesen.
Mix aus Humor und Unsinn
Gelesen habe ich trotzdem fast alle Geschichten. Das liegt an den flotten Vorspännen, die wirklich Lust auf die Artikel machen, und am Sprachstil des Hefts, den ich als angenehm, stellenweise sogar originell empfunden habe. Phrasen oder ungelenke Formulierungen findet man in Capz selten. Irritiert haben mich allerdings manchmal die Bildunterschriften, ein kruder Mix aus Humor und Unsinn. Unter einem Porträt steht zum Beispiel: „So sehen Ikonen aus: Cesare Attolini, wie er eigentlich immer aussieht.“ Na ja.
Nicht ‚Na ja‘, sondern ‚Na super‘ habe ich mir bei einigen längeren Texten gedacht, etwa bei einem „Paradies“-Essay, das nach fünf Seiten zum ernüchternden Schluss kommt: „Wir sind nicht wirklich schlauer als am Anfang“. Oder bei einer Reportage, die dokumentiert, wie ein Capz-Autor nach einem indischen Tiger sucht – und ihn nicht zu Gesicht bekommt. Das kann passieren – doch dann sollte man den Text bitte nicht ausschließlich mit Tigerfotos illustrieren. Das weckt falsche Erwartungen. Lieber hätte ich statt Bildbandaufnahmen Fotos von der an sich unterhaltsamen Abenteuerreise gesehen.
Phrasen vom Dschungelkönig
Überflüssig fand ich einen auf der Titelseite angekündigten Heftabschnitt mit dem Titel „Let’s get out of here“. In ihm sollen Berliner verraten, wohin sie eigentlich wollen, jetzt, wo alle nach Berlin wollen – so ähnlich suggeriert es der Vorspann. Letztendlich besteht der Informationsgehalt der Geschichte jedoch ungefähr darin, dass Dschungelkönig Peer Kusmagk die Phrasenquote erhöht, weil sein Berliner Restaurant im Winter oft „aus allen Nähten platzt“. Glückwunsch. Und schade um die verschenkten acht Seiten, die wie die folgenden zwölf extra auf mattem Papier gedruckt wurden. Sie fühlen sich spannender an, als sie sich lesen. Raus aus Berlin will wohl niemand.
Genervt haben mich an Capz auch die drei „Creative Spaces“. Creative was? „Creative Space ist eine redaktionell gestaltete Strecke im Heft […], deren Grundidee durch den Kunden angeregt und dann individuell von der Capz-Redaktion konzipiert und gestaltet wird. Die Inhalte werden nicht mit dem Kunden abgestimmt“, heißt es in den Mediadaten des Hefts. Als unbedarfter Leser würde ich das so interpretieren: Ein Werbepartner darf die Redaktion (mit viel Geld?) dazu anspornen, ein Geschichtchen um ein bestimmtes Produkt zu basteln. Die macht das dann in Form eines Heftabschnitts, den sie nicht als Werbung kennzeichnet, sondern als Creative Space. Seltsames Vorgehen.
Wim Wenders und das tolle 3D
Konkret sieht ein Capz’scher Creative Space etwa so aus, dass Regisseur Wim Wenders über 3D-Technik erzählt – in einem Layout, das sich nur in Nuancen von den normalen Interviews unterscheidet. Dabei sagt Wenders Dinge wie „Ich bin mir ganz sicher: 3D wird sich durchsetzen“ und „Auch wenn ich fernsehe, will ich das Programm in eigener Regie machen“. Zumindest letzteren Satz kennt der Leser – aus einer Fernseher-Anzeige am Heftanfang, illustriert mit demselben Werbefoto von Wenders. An dessen Gequatsche schließt übrigens der Satz an: „Erleben auch Sie dreidimensionales Fernsehen in Perfektion. Mit dem 3D Home Cinema von Loewe.“ Bedingt kreativ, dieser Space.
Ein weiterer Pseudoartikel dreht sich um interessante Orte des Ruhrgebiets, die auf zehn Seiten präsentiert werden. Doch eigentlich geht es in der Fotostrecke um etwas anderes: um einen Mini Cooper, der per Steckbrief vorgestellt wird und gleich auf 16 Fotos zu sehen ist, mal in Dortmund, mal in Essen. Liebe Capz-Redaktion, müsst ihr die Karre immer genau im Bild parken oder watt? Ich will den Ruhrpott sehen! Abgesehen von den Creative Spaces und 22 regulären Anzeigeseiten gibt es in Capz noch einige Produkttipps. Von der Weltkarte zum Länder-Freirubbeln bis zur Hängematte, die keine Bäume benötigt, sind die überwiegend gut ausgewählt. Leider hält das Magazin die Preise geheim.
Capz – ein Fazit
Alles in allem hat die Capz-Redaktion eine beachtliche Leistung vollbracht: Sie hat ein Reisemagazin produziert, das sogar ich, der das Genre ablehnt, gern gelesen habe. Obwohl sich die Heftstruktur stellenweise schwer nachvollziehen lässt und manche Geschichten schwach sind, bietet das Magazin eine gute Mischung aus Erlebnisberichten, Reisetipps und Promi-Interviews. Mit seinem subjektiven Erzählstil hebt es sich von anderen Zeitschriften ab.
Mehr Transparenz hätte ich mir bei den Creative Spaces gewünscht. Wenn diese Pseudoartikel schon das Heft aufblähen, dann soll die Redaktion doch bitte „Anzeige“ oder etwas ähnlich Konkretes dazuschreiben. Ich fühlte mich als Leser an diesen Stellen wenig ernst genommen. Pluspunkte sammelt das Heft dafür mit seiner Optik: Capz ist eins der wenigen Hefte, die ich gern bei mir rumliegen sehe. Mit zehn Euro ist das Magazin relativ teuer.
Übrigens: Der Verlag von Capz veröffentlicht auch ein Automagazin. Pardon, ein Autokulturmagazin. Das lese ich dann irgendwann mal. Wenn ich Lust habe auf ein – Zitat aus der Werbebroschüre – „opulent-lustvolles Coffee-Table-Car-Book“. Kennt jemand eigentlich eine Staubsaugerzeitschrift?
Infos zum Heft
Capz erscheint halbjährlich in der Reutlinger Red Indians Publishing GmbH & Co. KG. Sie veröffentlicht außerdem die Zeitschriften Ramp und Rampstyle, die sich in ähnlichem Stil mit Autos und Männerthemen im Allgemeinen beschäftigen.
Auf den Markt kam das Heft im November 2010, damals unter dem Namen „Gapz“. Dieser wurde ein Jahr später geändert, möglicherweise aus markenrechtlichen Gründen. Laut den neuesten Mediadaten wird jede Capz-Ausgabe 50.000 Mal gedruckt. Das Heft ist unter anderem an Bahnhöfen und Flughafen erhältlich.
Beschrieben wurde die Ausgabe 3 aus dem Herbst 2011. Sie hat 214 Seiten und kostet zehn Euro.