Entdeckt (31): WP-Magazin – Gefiederte Geschichten

60 Seiten, über 120 Vögel: Das „WP-Magazin“, Europas größte Vogelhalter-Zeitschrift, liefert dem Leser die volle Dosis an Papageien und Wellensittichen. Inklusive Zysten im Auge und vor Geilheit verengten Pupillen.

Coverwpmagazin

Ich habe großen Respekt vor Magazinchefs, zumindest vor ihrem Job. Mit jeder Ausgabe sollen sie ihr Heft neu erfinden, ohne dass es an Identität verliert. Das ist bei Heften wie dem SZ Magazin oder Dummy schwierig, erst recht jedoch bei Fachzeitschriften, die sich über Jahre einem einzigen Thema widmen. Selbst wenn der Redaktion von Schweinezucht und Schweinemast zweimonatlich neue Schweinereien einfallen: In einem Mastmagazin geht es zuallererst ums Mästen. Bei anderen Fachmagazinen scheinen die kreativen Möglichkeiten schon beim Cover beschränkt: Bär oder Bärin, auf diese Optionen läuft es bei Teddymagazinen hinaus.

Das WP-Magazin, ein Heft über Papageien und Wellensittiche, verfolgt bei seinen Titelbildern eine genauso klare Linie: Die rund hundert bisher erschienenen Cover schmückten stets ein bis vier Vögel (hier ein Beweisfoto). Nur 2010 landete einmal Frank Elstner auf Seite Eins, vielleicht ein kalkulierter Tabubruch. Mehr Experimentierfreude beweisen die Macher bei ihren Titelzeilen: Was vor 17 Jahren mit „Wellensittichhalter leben gesünder“ begann, entwickelte sich über „Abenteuer Zweitvogel“ zu „Achtung, Senioren im Anmarsch“. Gesundheit, Käfigexperimente, demografischer Wandel, alles dagewesen.

Kommunikationswunder Papagei

In der aktuellen Ausgabe des WP-Magazins geht es um das „Kommunikationswunder Papagei“ – ein so reizvolles Thema, dass ich das Heft kaufte, zur Fortbildung. Nicht, dass mir demnächst ein zu talentierter Kakadu den Job wegschnappt. Zusätzlich zum Nachplappern blöder Sprüche (in mancher Redaktion ein Einstellungskriterium), scheinen einige Vögel sogar das Schreiben zu beherrschen: Der hefteigene Kochkurs ist aus Sicht von Paule und Rosalie verfasst, zweier weißer Papageien.

Doch das WP-Magazin bietet mehr als laktosefreie Rezepte. Es beschäftigt sich mit exotischen Arten, mit Vogelschützern aus Costa Rica, mit Tiermedikamenten. Dazu gibt es eine Kinderseite, Kleinanzeigen und ein Poster in Heftmitte. Die herzzerreißendste Geschichte ist die von Ravi, betitelt mit „Glücklich mit nur einem Auge“. Sie beschreibt Leiden und Leben eines zystengeplagten Wellensittichs, inklusive des Todes seiner Freundin. Unzählige Emotionen auf fünf Seiten, wie: „Vor dem Einschlafen knirschte er sogar ein wenig mit dem Schnabel, was ein untrügerisches Zeichen für Wohlbefinden ist.“

Nagelneue Garagen, totes Federvieh

Bei den Fotomotiven dominieren, natürlich, Papageien und Wellensittiche. Über 120 Vögel habe ich auf 60 Seiten gezählt, Anzeigen außen vor. Für meinen Geschmack fast zu viel des Fiedrigen. Die typischen Heftkäufer dagegen scheinen von Papageien und Sittichen nie genug zu bekommen: 13 Vögel besitzt jeder Leser durchschnittlich, heißt es in den Mediadaten des Magazins. 13 Stück! Das verlangt außer Tierliebe eine Menge Platz. So ist es wohl naheliegend, dass im Heft ein Händler für „nagelneue Fertiggaragen“ wirbt: „Wer will eine oder mehrere?“

Welche Folgen es für Menschen hat, sich ständig mit Papageien zu umgeben, haben englische Forscher bisher nicht geklärt. Doch die Symptome, die das Heft nennt, klingen schrecklich: „Wir sind quasi Mitglieder des Schwarms – beim Singen, Essen, Mittagsschläfchenhalten oder Spielen“, berichtet dort ein Paar, das in seinem Wohnzimmer Edelpapageien hält. Auch die sogenannte Leserecke zeigt, wie stark die emotionale Bindung von Menschen zu ihren Vögeln ist. Gleich drei Frauen lassen dort Fotos ihrer Lieblinge veröffentlichen, mit dem Hinweis, dass diese mittlerweile tot sind.

Reportagen, Tierporträts, Vogelperspektiven

Halbwegs lebendig lesen sich die meisten Texte des WP-Magazins, die Redaktion versucht sich an Reportagen, Porträts und Texten aus der Vogelperspektive. Manchmal schreckte mich allerdings schon der erste Satz ab. Man muss wohl mindestens einen Vogel haben besitzen, um solch einen Einstieg spannend zu finden: „Da Eifutter aus Gründen der Hygiene nicht länger als vier Stunden im Käfig bleiben sollte, ist natürlich eine vermehrte Aufnahme in kurzer Zeit erwünscht.“ Einige schlechte Wortspiele hätte sich das Heft sparen können, zum Beispiel „legt Paule letzten Schnabel an die Muffins an“.

Optisch präsentiert sich das WP-Magazin farbenfroh, an einigen Stellen erinnert das Layout an einen Comic. Die Vogelbilder sind überwiegend ansehnlich. Mein Lieblingsfoto ist das eines Papageien, der schaut, als wäre er auf Drogen. „Höchste Erregung“, lautet die Bildunterschrift, „Wenn Mohrenkopfpagageien die Pupillen verengen und in geduckter Haltung die Flügel anheben, ist die Balzzeit vermutlich nicht fern“. Weshalb der geile Vogel seinen Kopf in einen Kochtopf steckt, bleibt offen.

WP-Magazin – ein Fazit

Das WP-Magazin ist eine Fachzeitschrift mit guten Ansätzen. Es bietet einen gelungenen Themenmix, bei den Textformen traut sich die Redaktion mehr zu als Meldungen und Berichte. Da zählt der Wille für mich mehr als die Umsetzung. Optisch ist die Zeitschrift kein Überflieger, profitiert aber davon, dass Papageien und Wellensittiche per se nett aussehen. Als Laien hätte mich das Heft stärker für seine Artikel ködern können: Auch Fachwissen lässt sich ansprechend vermitteln. Wenn schon der erste Satz langweilig klingt, habe ich wenig Hoffnung, dass ein vierseitiger Eifutter-Text irgendwann an Spannung gewinnt.

Vor der Rezension von „Schweinezucht und Schweinemast“ habe ich mich im vergangenen Jahr übrigens gedrückt. Schon die erste Geschichte, die ich las, war mir suspekt. Es war das launige Porträt eines Hunds, der „sichtlich Spaß“ an seiner Aufgabe hat: Schlachtschweine verladen, bevor Herrchen sie zum Metzger bringt. Welch ein Schweinehund.

Infos zum Heft

Das WP-Magazin erscheint zweimonatlich im Arndt-Verlag. Dieser veröffentlicht Bücher und Kalender über Papageien und andere Vögel, außerdem ein Heft namens Papageien.

Die verkaufte Auflage des Magazins liegt bei 20.200 Exemplaren. Nach Eigenangaben ist es damit Europas größte Zeitschrift für Vogelhalter. Das Heft erscheint laut der Heftübersicht mindestens seit 1995.

Beschrieben wurde die Ausgabe 3 aus dem Mai/Juni 2012. Sie hat 60 Seiten und kostet 4,50 Euro.

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