Entdeckt (32): Haus & Wellness – Im Werbestrudel

Das Magazin „Haus & Wellness“ lädt zum Träumen ein: In Werbeästhetik präsentiert es riesige Pools. Die Kosten? Egal. Die Besitzer? Wollen nicht genannt werden. Die Erbauer? Loben ihre eigene Arbeit.

Coverhausundwellness

Ab und zu ist derzeit wirklich Sommer. Meistens genau dann, wenn ich an meiner Masterarbeit schreibe. Also muss ich mir den Sommer nach Hause holen. Und was eignet sich dafür besser als ein Magazin über Swimmingpools? Tja, Eis vielleicht, Gegrilltes oder leichtbekleideter Besuch, aber sowas fällt mir immer zu spät ein. Also habe ich Haus & Wellness gekauft, laut Eigenwerbung „die Nr. 1 bei Pool, Sauna & Co.“. Eine Zeitschrift, die nicht nur „die meisten Seiten“ und „die meisten Pools & Saunen“ bieten will, sondern auch „die meisten Anzeigen“.

Letzteres Versprechen könnte stimmen. Bereits auf dem Cover klebt ein Wasserpflege-Booklet, verfasst von einer Wasserpflegefirma. Schlägt man Haus & Wellness auf, stößt man auf die „Blauen Seiten“, ein Verzeichnis von Schwimmbadbauern. Und auch im eigentlichen Heft folgen Dutzende Firmennamen, so viele, dass ich fürs Zählen einen Praktikanten gebraucht hätte. Einige Unternehmen, die im redaktionellen Teil vorkommen, schalten auch Anzeigen, etwa der Hersteller eines Reinigungsroboters. Sein Roboter wurde drei Seiten zuvor zum „Produkt des Monats“ gekürt.

Grillen ist günstiger

Am auffälligsten verwässern Berichterstattung und Werbung auf einer Doppelseite über Naturpools. Dort ist zweimal dasselbe Fotomotiv zu sehen: beim Artikel und in der Anzeige daneben. Immerhin erkennt man die Werbung meistens daran, dass sie dämlicher ist als die Artikel. Mitleid statt Kauflust provozierte bei mir etwa folgender Spruch: „Der menschliche Körper besteht zu 68 % aus Wasser. Warum sollte das bei Ihrem Wellness-Bereich anders sein?“ Vielleicht, weil meine Biologie kein Grund ist, Pools zu kaufen? Weitergedacht müsste man sonst auch jede Menge Fett in seinen Garten kippen.

Diverse Schwimmbadfirmen scheint das Heft zu schätzen, in den Artikeln zitiert es ihre Mitarbeiter. So dürfen „die Experten“ der vom Cover bekannten Firma Tipps für besseres Whirlpoolwasser geben – und erklären einfach ihre Produktpalette. Auch die Poolbauer bewerten meistens ihre eigene Arbeit. Ihre gute eigene Arbeit. Intelligent wirken die Zitate der Experten dabei nur sporadisch, eine Einschätzung lautet: „Das ist wirklich kein 08/15-Schwimmbecken, sondern ein XXL-Superpool.“ Aha.

Pool kaufen, Freunde gratis dazu

Extravagante Pools zeigt Haus & Wellness viele, in klassischer Werbeästhetik. In der Regel sind die Becken menschenleer, dazu heißt es, die Besitzer wollten anonym bleiben. Das ist angesichts des Neidfaktors verständlich, lässt die Poolporträts aber unpersönlich wirken. Ich will wissen, wer sich solche Riesenbecken in den Garten haut! Ebenfalls offen bleibt, was die Anlagen kosten, neben dem Aufbau kommt der Betrieb hinzu. Lediglich in der 32-seitigen Beilage „Bad/Design“, die Produkte fürs Badezimmer vorstellt, nennt Haus & Wellness öfter Preise. Die spiralförmige Heizung kostet zum Beispiel „ab 7.524 Euro“.

Schade fand ich, dass die Beschreibungen und die Bilder der Becken immer klar voneinander getrennt waren. Gefallen hätten mir zum Beispiel Fotos mit Erläuterungspfeilen zu den einzelnen Poolteilen. Alte Idee, hätte jedoch gepasst. Die Artikel des Hefts blieben mir allgemein kaum in Erinnerung, eher einzelne Passagen. So versucht etwa ein Schwimmbadgroßhändler, dem Leser die Vorteile eines Privatpools nahezubringen. Ein Vorteil: „Kinder, deren Eltern einen Pool haben, besitzen übrigens auch mehr Freund(e)innen, als solche ohne Pool.“

Reus und das Aufstellbecken

Neben einigen Ratgeberartikeln, Produkttipps und Hotelempfehlungen bietet das Heft einen Psychotest. Dieser soll verraten, welcher Pool für wen der richtige ist, unter anderem auf Basis der Frage, wie man am liebsten Kaffee trinkt. Klingt seriös. Ist Marco Reus der Lieblingsspieler aus dem EM-Team, erhöht das die Chance, dass man am Ende beim Aufstellbecken landet, nicht beim Einstückbecken. Dafür sollte man Schweinsteiger mögen.

Seltsam konzipiert wirkt auch die „Pool-Europameisterschaft“. Nacheinander stellt das Heft Schwimmanlagen aus Deutschland und vier weiteren Ländern vor, der Leser darf online abstimmen, welche die beste ist. Aber Moment, liebe Redaktion: Aus welchem Grund sollte ich bitte für den holländischen Pool stimmen? Gibt es bei einer EM nicht sowas wie Patriotismus? Anscheinend sehen das auch andere Leser so. Derzeit liegt der relativ unspektakuläre deutsche Pool vorn, mit 84 Prozent der Stimmen.

Investigativ interviewt

Optisch recht ansehnlich, plätschert Haus & Wellness sprachlich vor sich hin. Es liefert erwartbare Phrasen („das kühle Nass“), seltsame Sprachexperimente („La-a-ange Lebensdauer“), stellenweise aber auch gute Wortspiele, wie „Plug & Lay“ im Kontext einer Wärmeliege. Zudem ist das Heft für Laien verständlich, an einer Stelle warnt der Autor sogar: „Achtung, jetzt wird’s etwas technisch.“

Zum Schmunzeln brachte mich der Nachsatz des einzigen Textes des „People&Storys“-Ressorts. Er folgt auf das Interview mit einem Hotelbetreiber, der Kinder-Wellness anbietet: „Nach dem Gespräch durften wir uns im Kinderspa umsehen. Und tatsächlich – selbst die Massageliegen sind hier passend für die Kleinen im Miniformat angepasst.“ Ein tolles Gefühl, dieses Recherchieren.

Haus & Wellness – ein Fazit

Haus & Wellness ist das perfekte Magazin, wenn man sein Hirn ausschalten und sich schöne Poolfotos anschauen will. Ungepflegte Schwimmbecken existieren in seiner Wellness-Welt nicht. Preisvorstellungen liefert das Heft Kaufinteressierten kaum, dafür hunderte Adressen von Schwimmbadfirmen. So funktioniert das Heft vor allem als Aperitif. Journalistisch angehaucht, mehr wäre übertrieben, macht es Lust aufs Badengehen, im eigenen Luxuspool oder sonstwo.

Für 4,80 Euro kommt man übrigens locker ins Freibad.

Infos zum Heft

Haus & Wellness (eigentlich: haus&wellness) erscheint zweimonatlich im BT Verlag. Dieser veröffentlicht unter anderem noch Crema, ein Magazin für Kaffeeliebhaber, sowie das Sauna Magazin („mehr Sauna geht nicht“).

Auf den Markt kam Haus & Wellness 2004. Nach Angaben des Verlags liegt die Druckauflage bei 30.000 Exemplaren. Vertrieben wird das Heft am Kiosk, aber auch über Hotels und Golfclubs.

Beschrieben wurde die Ausgabe aus dem Juni/Juli 2012. Sie hat von einigen Beilagen abgesehen 192 Seiten und kostet 4,80 Euro.

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