Entdeckt (35): Giddyheft – Nackt, na und?

Mädchen statt Models, Kunsttrash statt Hochglanz: Die Erotikzeitschrift „Giddyheft“ positioniert sich als Gegenentwurf zum klassischen Männermagazin. Dabei macht sie vieles anders, aber wenig besser.

Covergiddy

Welche tollen Kombinationen die Sprache doch erlaubt, von Kohls „blühenden Landschaften“, über die „stabile Währungsunion“ bis hin zur „gerechten Entlohnung aller Urheber“. In passende Worte gepackt, scheint jede Utopie halb so utopisch. Doch es gibt einen Begriffsmix, der mich sofort stutzen lässt: die „intelligente Sexzeitschrift“. Zu viel Hirnfreies habe ich bereits gelesen, etwa in der Coupé oder der Maxim, die vor einem Jahr folgendes Fazit provozierte: „dämlich und so niveaulos, dass im Verhältnis sogar Covergirl Daniela Katzenberger einer intellektuellen Offenbarung gleicht.“ Schöne Fotos mit erträglichem Drumherum, das ist bei Erotikheften meistens das einzige Tabu.

Ein wenig beachteter, aber spannender Versuch, diese Regel zu widerlegen, startete bereits 2007. Seitdem erscheint das Giddyheft, ein bewusster Gegenentwurf zur klassischen Männerzeitschrift. Im Heft gehe es um Themen, „die nicht in handelsüblichen Magazinen zu finden sind“, schreiben die Macherinnen auf ihrer Website, und natürlich gebe es dazu nackte Mädchen, „angezogen, ausgezogen und…“. Ja, was eigentlich noch? Solche Fragen bleiben offen. Wer mehr als ein paar ältere Cover sehen will, muss erstmal zahlen, denn das Magazin wird vor allem per Versand vertrieben. „Bestellt Hefte, erzählt´s weiter!“, heißt es auf der Website. „Für die Sache!“

Die mit dem grünen Stuhl

Sechs Euro hat mich meine Neugier gekostet, was „die Sache“ überhaupt ist. Und so lag eines Nachmittags ein DIN-A5-Heftchen vor mir, mit der Aufschrift „Porno für Jungs“, als wäre diese Zielgruppe überraschend. Zwischen einigen Artikeln räkeln sich im Giddyheft vier Frauen, wie angekündigt mal mit Klamotten, mal ohne. Anders dann doch nicht. Nikki, 29, nascht Obst und telefoniert (was man halt so macht, wenn man fotografiert wird), Lucy, 28, sitzt breitbeinig auf einem grünen Holzstuhl. Hat man bei diesem Bild das Gefühl, doppelt zu sehen, liegt das weniger daran, dass sich das Blut woanders staut. Ein Foto weiter sitzt Lucy tatsächlich nochmal auf dem Stuhl, in gleicher Pose. Na ja.

Die Aufnahmen sind schlicht gehalten, natürliche Frauen präsentieren sich in Wohnungen. Ohne perfekte Ausleuchtung, ohne Photoshopkur, die jede Falte verschwinden lässt. Statt nach stundenlangem Shooting sieht es aus wie kurz mit der Kamera draufgehalten. Die Models sollen und könnten dabei meine Nachbarinnen sein, wenngleich es mir unwahrscheinlich erscheint, dass in meinem Mehrfamilienhaus die Hälfte der Frauen so stark tätowiert ist. Model Hanne könnte ich zudem wohl nur am Unterleib erkennen. Ihr Gesicht zeigt das Giddyheft nur auf zwei von sieben Fotos.

Verliebt, verloved, verheiratet?

Überhaupt hätte ich gern mehr über die Frauen erfahren – ein Service, den fast jedes Männerheft liefert. Im Giddyheft beschränken sich die Infos auf Name, Beruf, Alter und Status, wobei letztere Kategorie oft nur aus einem Wort besteht, wie „verloved“ oder „vorhanden“. Das Heft wirkt dadurch unpersönlich, der Intimität zum Trotz. Man zeigt eben diverse nackte Frauen, „für die Sache“ oder einfach so. Eine zweite Ebene, gar eine Geschichte innerhalb der Bilder oder in Form eines Begleittextes, entdeckte ich nirgends. Entsprechend ernüchtert habe ich die Bildstrecken durchblättert. Sexuelles, das übers sich Streicheln hinausgehen, sieht man übrigens nicht, die ein oder andere Schamlippe schon.

Sind es vielleicht die Artikel, die dieses Heft besonders machen? Nun ja, besonders anstrengend vielleicht. Ich weiß nicht, worauf andere „Jungs“ stehen, aber ich finde, auch ein junges Heft sollte sich erwachsen lesen. Mich störten etwa Smileys im Text („Wenn der Preis stimmt. Oder das Renomee. ;)“), ebenso Kinderwortspiele („laaaaange“ oder „sooo“) und betonende Großschreibungen („Aber dafür vertragen wir uns IMMER.“). Sowas kann man im Liebestaumel als SMS verschicken, drucken muss man es nicht. Lieber sollte sich die Redaktion intensiver mit Kommas beschäftigen, die fehlen auffällig oft.

Crackhuren und vermeintliche Puffbars

Generell erschien mir das Giddyheft über weite Strecken profillos. Verwirrt hat mich etwa ein Interview mit Die toten Crackhuren im Kofferraum, einer Musikgruppe, die vermutlich Acts wie K.I.Z. ähnelt. Warum interviewt das Heft diese Truppe? Weil ihre Musik gut ist – „Ballermannpop nur ohne den Ballermann“, wie man in der vierten Antwort erfährt? Weil die Bandmitglieder Namen wie Luise Fuckface haben? Oder wegen pseudoaufregender Antworten wie „Wir sind wie junge Hunde, die gern spielen und an jeden Baum pissen“? Handwerklich ist das Interview jedenfalls schwach: Obwohl zwei Personen antworten, erfährt der Leser nie, wer von beiden spricht.

Die anderen Artikel sind kaum besser. Model Lucy erzählt zum Beispiel, wie ihr Shooting ablief, mit seltsamen Wechseln aus der Ich-Perspektive in die dritte Person: „Tatsache ist: Lucy Lime […] hat nie für den Playboy gearbeitet.“ Ein an sich spannendes Domina-Porträt quält zunächst mit Belanglosigkeiten, etwa, dass der Autor dachte, sein Interview fände in einer Puffbar statt. „Doch Sahara ist eine Shishabar.“ Das ist mir ungefähr so egal wie das Wetter. Und das wurde auch schon erwähnt: „Es regnet und es ist grau an diesem Freitagvormittag.“ Diesem Einstieg folgen nette Zitate und Anekdoten, außerdem erfährt der Leser drei Mal das anscheinend Wichtigste: „Bei ihren Sitzungen läuft Minimal Techno.“

Kein Bock auf Service

In die Kategorie „Und was soll mir das jetzt sagen?“ fällt auch eine Umfrage, in der Mädchen erklären, „was im Bett gar nicht geht“. Ein wichtiges Thema, gäbe es andere Antworten als solche: „Auf gar keinen Fall möchte ich einen Mann mit Schäferhund, der dazu auf den Namen „Blondie“ hört!“ Ah ja. Eine echte Gefühlsregung, nämlich Wut, hatte ich beim Lesen des Hefts nur einmal, auf einer Seite, die Produkte wie ein Bierbrauset oder ein Fußball-Urinalaufsatz vorstellt. Infos, wo man das alles herbekommt, fehlen dort, dafür gibt es den Hinweis: „Dieses Mal zum Selbstgoogeln.“ Wie lustig, liebe Redaktion, dass ihr am Service spart. Die Produktauswahl offenbart nebenbei ein interessantes Leserbild.

Das Layout des Giddyhefts ist kunstvoll-trashig. Fotos überschneiden und überdecken sich gegenseitig, in den Texten wechseln die Formatierungen. Unterstreichungen oder Schriftartwechsel scheinen allerdings eher optische Spielerei zu sein als inhaltlich nachvollziehbar. Bei einer Geschichte fehlt mittendrin ein Stück Text, das wohl beim Layouten verloren gegangen ist. Wirklich überzeugend, optisch wie inhaltlich, fand ich im Heft nur eine einzige Doppelseite, welche Marquis de Sades Erotikklassiker Justine im Comicstil zusammenfasst. Feinster Quatsch, leider ist die Schrift so eng gesetzt, dass sie kaum lesbar ist – ausgerechnet dort, wo es sich ausnahmsweise lohnt.

Giddyheft – ein Fazit

Man nehme einen Haufen private Fotos, ein paar Texte, die mit Sex zu tun haben, und klebe das alles über- und durcheinander auf Druckbögen. Rauskommen könnte dabei ein Magazin wie das Giddyheft. Eine alternative Erotikzeitschrift, die mir irgendwie egal ist. Sie macht mich weder an, noch regt sie mich großartig auf – abgesehen davon, dass ich dafür sechs Euro ausgeben musste. Nach kaum einer Stunde war das Heft ausgelesen und die Illusion einer intelligenten Sexzeitschrift mal wieder zerstört. Auf manche Dinge ist Verlass.

Immerhin konnte mich das Giddyheft noch einmal zum Googeln motivieren. Ich wollte wissen, was der Begriff „Giddy“ bedeutet. Die Antwort liefert unter anderem ein älterer Text auf Zeit Online. Dort steht, die Frauen aus Männerzeitschriften wie dem Playboy würden im Kölner Freundeskreis der Heftmacherinnen „Tiffys und Gabis“ heißen. Die anderen, „die Guten“, seien die Giddys.

Infos zum Heft

Das Giddyheft erscheint zwei Mal pro Jahr im Selbstverlag. Die Macher verkaufen auch eine Variante mit nackten Männern, das Jungsheft. Ende Juli wurde es im Hefteblog „Voll auf die Presse“ vorgestellt.

2007 wurde das erste Giddyheft veröffentlicht. Die Druckauflage des Magazins liegt bei 2500 Exemplaren. Kaufen kann man das Heft online, außerdem bei ausgewählten Fachhändlern, wie dem Frankfurter Hebammenladen „Have babies“ oder dem Baseler „Gay-Mega-Store“.

Beschrieben wurde die Ausgabe 10. Sie hat 60 Seiten und kostet sechs Euro.

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