Entdeckt (38): Quo vadis – Tiere schützen, Leser quälen

Sorry, „UFOs & Kornkreise“ und „Zeitzone 2012„: Ihr seid nicht länger die anstrengendsten Magazine dieses Blogs. Die neue Tierzeitschrift „Quo vadis“ unterbietet euch schon beim Namen – und ihr Inhalt ist ähnlich altbacken.

Coverquovadis

Manchmal muss Trash nur penetrant sein. Mehrere Wochen bin ich Quo vadis, dem neuen Magazin des Tierschutzvereins Pro Animale für Tiere in Not, beim Umsteigen begegnet, es stand im Schaufenster eines Münchner Bahnhofskiosks. Morgen und abends blickte dieses schwarze Schaf vom Cover, seltsam entspannt, während ich durch den Bahnhof hetzte. Und dann noch dieser kleine Junge, in weißen Klamotten, mit Hund. Was will mir dieses Magazin sagen? Irgendwann hielt ich nervlich nicht mehr stand und kaufte es. So war wenigstens ein Exemplar aus dem Fenster verschwunden.

Schon der Name des Hefts fasziniert auf schaurige Weise, beim Nachsprechen bekomme ich Gänsehaut. Er lautet: „Quo vadis? Auf der Suche nach einem Weg in eine gerechte Mensch-Tier-Beziehung …“, inklusive der drei Pünktchen, die wahrscheinlich suggerieren sollen, dass er eigentlich noch viel länger ist, mindestens zwei, drei Relativsätze passen locker hinterher. Vielleicht sollen die Pünktchen aber auch zum Nachdenken anregen – über Tiere, über Menschen, über das Leben, über den Verein Pro Animale. Oder die Punkt-Taste der Redaktion funktioniert nicht richtig.

Das eigentlich Schlimme am Heftnamen ist, dass „Quo vadis“ eine der häufigsten Überschriften im Journalismus ist. Meine These: Vergisst ein Redakteur eine Überschrift zu tippen oder drückt auf den Button „Mir fällt nichts ein“, fügen deutsche Redaktionssysteme automatisch diese lateinische Phrase ein. So entstehen täglich furchtbare Zeilen wie „Quo vadis, Kapitalismus?“ (Frankfurter Rundschau), „Quo vadis, Martin Kaymer?“ (Stuttgarter Zeitung), „Quo vadis, Herrn Wulff“ (FAZ), „Quo vadis, Bayern-FDP?“ (Welt), „Bauzins – quo vadis?“ (Abendzeitung), „Quo vadis, Abendland?“ (Focus) oder „Quo vadis, Stadthallen-Tiefgarage?“ (InFranken.de). Und das ist nur eine Auswahl.

Die 42 unter den Phrasen

Dem Heft scheint diese Abgegriffenheit egal zu sein. Es verwendet die Formel so oft und überzeugt, als wäre sie die 42 unter den Phrasen: geht immer. Deutlich zeigt sich das im Editorial: Wer bitte kommt auf die Idee, in einen Text 18 Mal „Quo vadis“ einzubauen? An dieser Stelle war für mich bereits die Grenze zwischen Lesen und Leiden erreicht. Nicht mal überlesen lässt sich die Formel, das Tierschützer-Magazin hebt sie jedes Mal gelb hervor. Service, wie direkt aus der Hölle. Im hinteren Teil des Hefts wird „Quo vadis“ noch mehrmals als Überschrift verwendet, außerdem wird ein Pferd mit diesem Namen vorgestellt. Da hatte ich sofort Mitleid.

Allgemein thematisiert das Heft vor allem Pro Animales Vereinsarbeit. Porträtartig erfährt der Leser, wer die „Avalon“ oder „El Dorado“ genannten Herbergen betreibt und welche Tiere sie bevölkern, von Schaf Alladin über Katze Caro bis zu Hund Enzo. Das Ziel dieser Berichte ist klar: Sie sollen den Leser motivieren, sich ebenfalls zu engagieren, etwa durch Spenden. So kann man zum Beispiel eine Tierpatenschaft für einen Waschbär oder ein Lama übernehmen. Präsentiert wird dieses Anliegen mal mehr, mal weniger direkt – aber zumindest nicht so aufdringlich, dass man aus Prinzip die Lust am Helfen verliert. Dafür sorgt eher das Layout des Hefts.

Wie eine Internetseite aus den Neunzigern

Quo vadis sieht aus wie eine Website aus den Neunzigern, nur das Blinken fehlt. Die meisten Doppelseiten haben eine Panorama-Aufnahme als Hintergrund, darauf verteilen sich kleine Fotos. Manchmal fließen Hinter- und Vordergrund ineinander, wie auf dem Cover entstehen seltsame Montagen. An die Lesbarkeit haben die Layouter zwar gedacht, dafür aber jede farbliche Zurückhaltung aufgegeben: Drohte die meistens weiße Schrift mal zu verschwinden, wurde sie hellgrün oder gelb hinterlegt, auch kitschige Unterstreichungen kommen vor. Im Editorial befindet sich ein Bild mitten in einer Textspalte, so dass das Auge beim Lesen ständig über das Coverkind und dessen Hund springen muss.

Um zu erkennen, wo Geschichten beginnen, braucht man detektivische Fähigkeiten. Fast durchgehend sind die Seiten ein Wust aus Bildern und Textfetzen, sogar auf der Heftrückseite findet sich normaler Inhalt. Legt man das Heft weg, schaut man instinktiv auf seine Hände, ob auch dort noch Hundebilder sind. Zum Glück nicht. In den Texten von Quo vadis störten mich vor allem die Verlegenheitsanführungen: Begriffe wie „Galeeren-Sklaven“, Hunde-„Kinder“ und „Trimmgeräte“ traut sich das Heft nur pseudodistanziert zu benutzen. Dafür hören Sätze oft bedeutungsschwanger mit drei Pünktchen auf… Oder laufen eben weiter. Ein anstrengender Stil.

Geschwurbel für die lieben Lesenden

Dabei sind die Artikel ohnehin eine Herausforderung. Ein Satz liest sich schon mal so: „Seither hat sich alles geändert, unser so sorgsam gepflegtes musisches, privates Ambiente wich der Eindringlichkeit der Obdachschaffung und Beherbergung schutzlos ausgelieferter Kreaturen – die Prioritäten und Koordinaten unseren Lebens machten sich an der Verwirklichung eben genannten Zieles aus.“ Schwurblig ist wohl noch ein nettes Adjektiv dafür. Weniger schlimm steht es um die Stilformen im Heft: Ein kleines Interview und eine Art Reportage sorgen für Abwechslung zwischen den Porträts. Kurios fand ich die Leseransprache „Liebe Lesende“. Klingt wie „Liebe Bildungsbürger“.

Über die Qualität der Fotos kann ich nicht meckern: Dass ein Hund mit roten Pupillen an ein Alien erinnert, ist die Ausnahme. Schade fand ich, dass man selten mehr als den Namen eines Tiers erfährt, wodurch es in der Masse untergeht. Laut des Hefts kümmert sich Pro Animale um 2721 Tiere, beim Durchblättern glaubt man, alle gesehen zu haben, so viele Fotos quetschen sich auf 104 Seiten. Vielleicht hätte es schon geholfen, manchmal Rasse und Alter anzugeben. Positiv blieb mir nur ein Versuch der Personalisierung in Erinnerung: Als Doppelseite präsentiert das Heft zwölf Ochsen mit Infos zu ihrer Geschichte oder ihrem Verwandschaftsgrad. Ihr Schicksal berührte mich sofort mehr.

Quo vadis – ein Fazit

Wer ein klassisches Tiermagazin sucht, ist bei Quo vadis falsch. Das Heft ist ein dicker Vereinsprospekt, der dokumentiert, was Pro Animale in Deutschland und anderen Ländern leistet. Lesenswert ist die Zusammenstellung meiner Meinung nach nicht, vermutlich gute Arbeit wird schlecht präsentiert – gerade optisch wirkt das Heft aus der Zeit gefallen. Auch die Sprache dieser Erstausgabe lässt den Leser eher an Selbst- als an Tierschutz denken: Ich jedenfalls ertrage kein Magazin, dass ständig drei Pünktchen setzt und mich mit der Phrase „Quo vadis“ zuballert. Da kann mich das schwarze Schaf noch so oft aus dem Schaufenster anstarren.

 Infos zum Heft

Quo vadis (eigentlich: „Quo vadis? Auf der Suche nach einem Weg in eine gerechte Mensch-Tier-Beziehung …“) ist ein Heft des als gemeinnützig anerkannten Vereins Pro Animale für Tiere in Not. Seine eigentliche Vereinszeitschrift nennt sich Der Tropfen.

Verkauft wird Quo vadis an größeren Bahnhöfen und Flughäfen. Die Druckauflage des Hefts liegt nach Angaben von Pro Animale bei 5000 Exemplaren.

Beschrieben wurde die Erstausgabe 4/2012, die nächste soll Anfang Januar folgen. Quo vadis hat 104 Seiten und kostet 3,50 Euro.

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