Entdeckt (40): Stadlpost – Drews, du geile Sau

Per Du mit den Stars: Bei der „Stadlpost“ führt die Chefin die Interviews noch selbst. Ihr Heft berichtet etwas zu anbiedernd über Schlagerstars wie Jürgen Drews und Hansi Hinterseer. Und über Heizöl.

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Manchmal bräuchte auch ich eine Eva Mang. Wenn ich meinen Gymnastikball aus dem Kücheneingang kicke und mich frage, ob dieser wirklich in eine Einzimmerwohnung gehört. Oder, wenn ich beim Transport eines Wasser-Sixpacks beschließe, einen Tragegriff zu kaufen, weil das Band so schneidet. Immer wenn ich glaube, alt und gebrechlich zu sein. Mit 25. Eva Mang ist die Chefredakteurin und Herausgeberin der „Stadlpost“, eines Magazins für Schlager und Volksmusik, das ich mir aus Neugier gekauft habe. Und Mang weiß, wie man ergrauende Männer aufbaut.

In einem Interview klagt der König von Mallorca, Jürgen Drews, dass er schon über 60 ist: „In den Augen vieler sogenannter Marketing-Spezialisten sollte ich mit den Gesundheitsschuhen auf der Parkbank sitzen und meine dritten Zähne ins Glas werfen…“ Und was macht Mang? Sie fragt nicht, die wievielten Zähne es wirklich sind. „Also wenn ich Dich so ansehe, Du siehst prächtig aus“, sagt sie stattdessen. „Jung und Knackig! Und was Deine Bühnenpräsenz und Deine stimmliche Power angeht, da könnte sich manch junger Kollege ein Scheibchen abschneiden.“ Wow. Wohl nie zuvor wurde ein ballermanntypisches „Drews, du geile Sau“ so schmeichelhaft verpackt – und dann sogar gedruckt.

Es ist übertrieben, die Stadlpost als Magazin von und über Eva Mang zu bezeichnen, doch die Chefin ist präsent: Ein Foto zeigt beispielsweise, wie sie neben Drews beim Sektfrühstück saß. Auch bei anderen Interviews verrät die Einleitung, wie Mang die Stars grüßt – oder die Stars sie. Sänger Andreas Gabalier siezt die Redakteurin, während Hansi Hinterseer sagt: „Hallo Eva, schön, dass du kommen bist. Des gfreit mi wirklich.“ „Gewohnt charmant“ findet das die Stadlpost. Viele Dialoge des Hefts wirken wie ein verbales Busseln und Tätscheln, bei Gabalier bedankt sich Mang für eine „Blutauffrischung“ in der Schlagerszene, „Eigentlich sollte man für Dich einen eigenen Musik-Preis erfinden“. Dann wünscht sie „Toi, toi, toi für die große Tour“!

Grandios, superfein, Extraklasse

Auch gewöhnliche Artikel dokumentieren eine wohlwollende Haltung den Stars gegenüber: Florian Silbereisens letzte Show war laut Stadlpost „ein grandioses Herbstfest der Überraschungen“, der Stadlabend in Innsbruck „superfein“. Die Wiener Schlagernacht hatte eine „Besetzung der Superlative“, alternativ: „eine Star-Reihe der Extraklasse“. Weiter gratuliert das Heft der Band Fantasy zu ihrem Charterfolg und wünscht „unserer Michelle„, dass ihre derzeitige Liebe „hoffentlich für immer und ewig hält“. Die Wir-Form ist in den Texten üblich, mir war stellenweise unklar, ob es für die Redaktion steht oder vereinnahmend für alle Schlagerfans.

Skandale oder fiese Gerüchte spart sich meine Ausgabe, die aufregendste Zeile ziert die Titelseite: „Semino: Warum macht er sich so rar?“ Dazu gibt es nicht einmal einen Bericht. Lediglich im Editorial erläutert Chefin Mang, dass ihr das Management des Sängers keine Infos liefert – deshalb könne das Heft nichts Neues über Semino Rossi berichten, trotz zahlreicher Fanwünsche. Genug Material findet sich dafür zu Hansi Hinterseer. Obwohl das Geheimnis seines Erfolgs eigentlich schon auf dem Cover gelüftet wird („Er ist anders als die anderen und sich immer selbst treu.“), füllt der Österreicher vier der 48 Seiten, hinzu kommt die Auswertung einer Starwahl, die er gewonnen hat.

Pro Hansi, pro Heizöl

Eine Doppelseite dreht sich um Filmaufnahmen Hinterseers, von dem Reporterin Mang jedoch unspektakuläre Exklusiv-Infos mitbringt. „Wieviele Säcke Karotten und wieviele Kilos an Würfelzucker verbraucht wurden, haben uns die Filmleute leider nicht verraten“, heißt es im Text. „Dafür allerdings, dass „Ruf der Pferde“ im ORF 2013 ausgestrahlt wird […].“ Auf die investigative Recherche  den freundschaftlichen Besuch am Reiterhof folgt ein weiterer Text über den Publikumsliebling Hinterseer, der aber wenig thematisiert außer einer Anzeige, die man auf der Seite daneben bewundern darf.

Hinterseer wirbt dort für einen Heizölproduzenten, was der Stadlpost anscheinend gefällt: „In der neuen Werbelinie beweist Hansi seinen Wert als sympathisch-authentisches Testimonial, das perfekt zur Zielgruppe passt und werblich noch vollkommen unbelastet ist“, lautet ein Zwischenfazit des Artikels. Danach schwärmt das Magazin noch ein wenig vom schwefelfreien Heizöl, das einen „wesentlichen Beitrag zum umweltfreundlichen Heizen“ geliefert haben soll. Auch beim Interview mit Jürgen Drews nennt die Stadlpost mehrmals und in Großbuchstaben den Reiseanbieter, der zum Oktoberfest in die Türkei einlädt.

Tolle Bücher, manchmal auch gelesen

Obwohl es immer um Stars geht, bietet das Schlagerheft Abwechslung: Neuigkeiten und Showbesprechungen wechseln sich mit Interviews ab, hinzu kommen Rubriken wie Rätsel, ein Fragebogen („11 Fragen auf Seite 11“), eine Fanpost-Galerie und Buchtipps, wobei nur bei einem Buch „Für Sie gelesen“ drübersteht – sonst klang vielleicht der Klappentext nett. Die maximale Artikellänge beträgt zwei Seiten, wobei das reicht: Sprachlich macht die Stadlpost vor allem Lokalzeitungen Konkurrenz. Künstler sagen Dinge „sichtlich“ oder direkt „ganz stolz“ und mancher Weg zurück auf die Bühne ist „so sicher wie das Amen im Gebet“. Amüsiert hat mich ein Servicehinweis: „Aber der große Durchbruch kam erst nach der Wende“, informiert ein CD-Tipp. „(Anm. der Red.: 1989).“

Optisch unterscheidet sich die Stadlpost kaum von anderen Klatsch- und Frauenzeitschriften. Die Überschriften und Hintergründe sind farbenfroh, bei den Bildern überwiegen PR-Aufnahmen und Konzertfotos. Für das „Stadlpost Star-Mega-Poster“, das wohl einer vorherigen Ausgabe beilag, liefert meine Ausgabe Porträtfotos zum Ausschneiden, darunter DJ Ötzi und Andrea Berg. Die Schrift des Hefts ist auffallend groß, was die Zielgruppe freuen dürfte.

Stadlpost – ein Fazit

Die gute Laune der Stadlpost fand ich eher anstrengend als ansteckend. Während andere Klatschhefte wohl kaum direkten Kontakt zu Schlagersängern haben, ist mir dieses Magazin zu nah dran. Die Stadlpost weckt den Eindruck, als wäre jeder Auftritt toll und jede CD hörenswert – dabei dürfte das bei keiner Musikrichtung der Fall sein. Manchmal hatte ich auch das Gefühl, dass die Chefredakteurin der eigentliche Star des Magazins ist: als Instanz, die über Erfolg und Scheitern richtet. Wobei sie im Zweifel Glück wünscht. Optisch ist das Heft solide, die Sprache löst bisweilen Fremdschämen aus. So weckt die Stadlpost letztlich auch bei mir Emotionen.

Schlagerfans bietet das Heft übrigens eine besondere Geschenkidee: Für 99,90 Euro plus Versand können Leser einen Leinendruck bestellen, der ihr Gesicht neben dem eines Stars wie Hinterseer oder Gabalier zeigt. Beeindruckend. Solange man kein Photoshop kennt.

 Infos zum Heft

Die Stadlpost erscheint ungefähr zweimonatlich in der Quota Verlags GmbH. Im Sommer und Winter kommt jeweils ein Sonderheft auf den Markt. Das Heft gibt es seit September 1997.

Verkauft wird die Stadlpost in Deutschland an Kiosken und im Bahnhofsbuchhandel. In den Handel kommen 70.000 Exemplare, europaweit liegt die Druckauflage bei 160.000 Exemplaren.

Beschrieben wurde die Ausgabe 12/2012. Sie hat 48 Seiten und kostet 2,80 Euro.

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