Riesenposter und minimaler Aufwand: Das Starmagazin „Girl Time presents One Direction“ wirkt so lieblos produziert, dass man selbst als Erwachsener loskreischen will. „Picture Star Justin Bieber“ bietet mehr Inhalt, dafür ziemlich beliebigen.
Aaron Carter, Dune, Scooter: Für meine musikalisch grenzwertige Jugend habe ich mich schon beim Test der Western Mail geschämt. Und – so viel zum Forschungsstand – beim Durchklicken alter Word-Dateien [Oh Mann, klingt das moderne Leben traurig] fand ich seitdem nichts Entlastendes, nur Dokumente, die alles schlimmer machen. Vor zehn Jahre erstellte ich anscheinend eine Liste mit Musikerbewertungen, darauf etwa die Chili Peppers (gut) und Justin Timberlake (blöd). In der wohl demütigendsten Kategorie, „neutral“, landeten die Ärzte. Welchen Sinn das System hatte? Vermutlich befürchtete ich, ohne schriftliches Fixieren mal beim falschen Lied mit dem Fuß zu wippen, die ultimative Blamage für einen Fünfzehnjährigen. Oder ich ahnte, dass ich die Liste irgendwann als Einleitung brauchen könnte, wenn mir sonst nichts einfällt.
Ich gehöre nämlich zu der Generation, die Justin Bieber verpasst hat, diesen ab März 19-Jährigen, der heute so populär ist, wie in den Neunzigern die Spice Girls und die Backstreet Boys. Einerseits bin ich zu alt, um einen Teenie-Star anzuhimmeln, anderseits zu jung, um Kinder im fanfähigen Alter zu haben. Die Folge ist, dass ich eigentlich nie mit Bieber und dessen Charthits konfrontiert wurde. Es würde mir schwer fallen, eins seiner Lieder zu erkennen. Dasselbe trifft auf One Direction zu, eine britische Boyband, die seit 2010 Gekreische in ähnlichen Dezibelregionen provoziert. Um meine Wissenslücken zu schließen, habe ich mir kürzlich zwei Starzeitschriften gekauft.
Der Mann, den sie Biebz nannten
Ich lernte schnell dazu. Beim Durchblättern des ersten Hefts, Picture Star Justin Bieber (im Folgenden: Picture Star), erfuhr ich zum Beispiel, dass Sänger Bieber zahlreiche Spitznamen hat. Die „Beliebers“ – so nennen sich seine Fans – sprechen laut Heft wohl wahlweise von JB, Jus, Biebz, JBiebz oder MrBiebz. Und auch der Bandname One Direction wird gern abgekürzt, als 1D. Das spart Platz und Tinte, auch in GT presents One Direction (im Folgenden: GT), dem zweiten Starmagazin. Apropos Platz: Dass sich beide Hefte nicht superdünn anfühlen, liegt an ihren Postern. Picture Star hat gleich sechs, GT angeblich neun, wobei sich fünf Motive als gewöhnliche Heftseiten entpuppen. Ein schlechter Scherz? Möglich, das Cover verspricht immerhin „9 Spass Poster“. Die Riesenposter aus GT sind übrigens genauso groß wie die „XXL Mega-Poster“ aus Picture Star, 83 mal 58 Zentimeter. Auf dem Picture-Star-Cover klingen die Maße spektakulärer, das Heft gibt sie in Millimetern an.
Ob nun mega, riesig oder groß – ich kann nur hoffen, dass Fans die Hefte wegen der Poster kaufen. Das Redaktionelle dürfte nämlich fast jeden Leser enttäuschen. Um beispielsweise die One-Direction-Tourdaten herauszufinden, reicht ein Internetzugang, GT präsentiert sie trotzdem als Titelthema. Dasselbe gilt für die Songliste des neuen Justin-Bieber-Albums, über die Picture Star schreibt. Fakten von vorgestern. Umso ärgerlicher, wenn sie nicht mal stimmen. So behauptet GT, One-Direction-Sänger Harry hätte am 2. Februar Geburtstag – doch wer ihm dann gratuliert, ist einen Tag zu spät. Na toll. Überhaupt wirkt das Boyband-Heft über weite Strecken lieblos produziert, als wäre die Sprache bei Kinderheften egal. Motto: Die wollen nur Bilder gucken.
Möchtegern-Bettlektüre
Der Coverspruch „Du wirst die ganze Nacht mit deinem One Direction Magazin verbringen!“ etwa hatte mich schon am Kiosk irritiert, angesichts von 16 Seiten Inhalt. Drohen schlaflose Nächte, wenn man realisiert, dass man sein Taschengeld für dieses Heft vergeudet hat? Naheliegender ist eine andere Erklärung: miserables Übersetzen. In der englischen Version des Magazins, augenscheinlich die Originalausgabe, heißt es auf dem Titel „You’ll be ‚Up all night‘ with all the latest news“ – und es hat einen Grund, dass ‚Up all night‘ in Anführungszeichen steht. Der Satzteil ist eine Anspielung, ein Album der Band heißt so. Für das deutsche Heft war das wohl zu viel Raffinesse. Darin heißt auch eine Weste mit Blumenmuster schon mal „florale Weste“. So redet die Zielgruppe, ganz bestimmt.
Zum Deutsch lernen taugt GT jedenfalls nicht. Wortkopplungen vermeidet das Heft fast durchgehend („1D Fan“, „Krabben Mayo“), lieber druckt es einen Deppenapostroph („Harry’s Blume“). Und manch ein Satz ist so ungelenk formuliert, dass man seinen Sinn erraten muss. Direkt im ersten Text, einer Bandbiographie, heißt es: „Sie brachen alle Verkaufsrekorde in Großbritannien und in den USA, der klare Schnitt, die netten Jungs von nebenan machten diese Band zur größten Boyband überhaupt.“ Der klare Schnitt? Möglicherweise bezieht sich dieser Satzteil auf den Karriereverlauf der Gruppe, genauso gut könnte es um ihre Frisuren gehen. Da ist es fast versöhnlich, wenn bei den Sänger-Steckbriefen nur ein Buchstabe fehlt („It mit Model Eleanor Calder liiert“) oder ein englisches Wort auftaucht („Geboren am 12. January 1993“).
One Direction im Bieber-Heft
Was GT noch bietet, außer Tourdaten, Klamottentipps und Steckbriefen? Fast nichts: vier Rätsel und ein Quiz, das Fakten abfragt, die größtenteils eine Seite weiter stehen, als „10 Dinge, die Du unbedingt über One Direction wissen musst“: zum Beispiel, dass Bandmitglied Niall Angst vor Vögeln hat. Fanpost sollte man dem „irischen Justin Bieber“ (Spitzname laut GT) also lieber nicht per Brieftaube schicken. Kurios fand ich, dass Sängerin Taylor Swift angeblich in Bandmitglied Harry verknallt ist, wie GT bei seinen „schnellen 1D-Fakten“ verrät. Das soll sie ihrem „Buddy“ Justin Bieber erzählt haben und so schließt sich der Kreis zwischen den Heften. 1D, JB, die Teenie-Welt ist klein. Und One Direction tauchen sogar in Picture Star auf.
Weshalb dieses Magazin über den „coolen Männertrip“ berichtet, den Bieber eventuell mit „1D-Harry“ geplant hat, kann ich noch nachvollziehen. Aber warum veröffentlicht Picture Star doppelseitig Steckbriefe der One-Direction-Mitglieder, bei auch nur 24 Seiten? „Justin Bieber hat es mit ‚Never say never‘ vorgemacht“, heißt es im Artikelvorspann. „Jetzt legen die Jungs von One Direction nach und werden im August in einem 3D-Film zu sehen sein.“ Na und? Werden in der nächsten Ausgabe etwa Kiffer porträtiert, weil auch Justin Bieber angeblich mal einen Joint geraucht hat? Noch mehr überraschte mich, dass dem Justin-Bieber-Heft ein One-Direction-Poster beliegt. Hatte die Redaktion nur fünf Bieber-Bilder in Posterqualität? Will sie frustrierte GT-Käufer ködern?
Neues von der Ex, im Bikini
„Die ganze JB-Welt in einem Heft“, steht auf dem Cover, und das schließt nicht nur One Direction ein, sondern auch den neuen Kinofilm von Selena Gomez, den Picture Star vorstellt. Zusammenhang: „Als der Film ‚Spring Breakers‘ im April 2012 gedreht wurde, waren Selena und Justin noch ein Paar. Jetzt ist das bekanntlich nicht mehr so […].“ Klar, es gibt nichts Spannenderes als die Ex-Freundin des Lieblingsstars. Zu den vier „besten Szenen“ aus Gomez‘ Film, die GT per Foto dokumentiert, zählen übrigens eine Bikini-Aufnahme der Hauptdarstellerinnen und ein Dialog zwischen zwei Typen – das deutet auf hochklassiges Kino hin. Ähnlich skurril wirkt eine Sprechblase, die sich Picture Star für ein Bieber-Foto überlegt hat: „Hey Girls, ich präsentiere Euch die heißeste Show aller Zeiten“, ruft er. „‚Believe‘ wird Europa verändern!“ Man darf gespannt sein, was der Sänger vorhat – vielleicht wird er neuer Papst?
Trotz allem ist Picture Star kein so großer Reinfall wie GT. Das Heft bietet wenigstens eine Handvoll Artikel, beispielsweise „Bad Boy Biebz: Legt er sich ein neues Image zu?“ und „Neues Liebesglück für Mr. Biebz?“, letzteres ist ein Check von vier potenziellen neuen Freundinnen. Zudem wirkt das Heft, als hätte es jemand Korrektur gelesen, mir fiel lediglich auf, dass eine Meldung dreifach vorkommt, zweimal sogar wortgleich (Lady Gaga ist „so stolz“ auf Bieber). Die Sprache des Hefts wirkt zielgruppengerecht: Es gibt „biebermäßige“ Highlights und Justin Bieber und sein Kumpel sind „BFF“, also best friends forever. Beide Starmagazine sind bunt und bildlastig, Picture Star lädt mit Kurztexten und Wortfärbungen zum Querlesen ein. Hervorgehoben werden zum Beispiel die Textteile „Po-Alarm“ und „jung, gutaussehend“.
Starmagazine – ein Fazit
Natürlich, bei Starzeitschriften wie Picture Star und GT zählen vor allem die Poster. Sie sind das Hauptargument, ein Printmagazin über twitternde Pop-Ikonen zu kaufen. Trotzdem wäre es dem Leser gegenüber respektvoll, ein wenig Mühe in den Magazinteil zu stecken, wenn es schon einen gibt. Besonders GT wirkt wie dahingerotzt: schlecht übersetzt und mit belanglosem Inhalt, für mich ist das Teenie-Abzocke. Picture Star macht im Vergleich einen professionellen Eindruck, als Bieber-Fan wäre mir das Heft aber zu inkonsequent konzipiert. Zahle ich fast vier Euro für eine Zeitschrift über meinen Lieblingsstar, möchte ich auch möglichst viele Geschichten über ihn lesen. Der neue Job seiner Ex-Freundin nimmt da nur unnötig Platz weg, genau wie die Band seines Kumpels, „1D-Harry“.
Infos zu den Heften
Die Website zu Picture Star Justin Bieber lässt vermuten, dass das Heft sechs Mal pro Jahr erscheint. Auf Anfrage schrieb mir die bpa Sportpresse, die im Impressum unter „Produktion“ auftaucht, „verlagsinterne Daten“ (ich hatte nach Auflage, Erscheinungsweise und Vertrieb gefragt) gebe man nur an Media-Agenturen und Werbekunden weiter.
Die VU Verlagsunion, die Girl Time presents One Direction vertreibt, teilte mir mit, dass es ihr Heft bundesweit im Bahnhofsbuchhandel zu kaufen gibt. Augenscheinlich ist das Magazin aus dem Englischen übersetzt. Beschrieben wurde die Picture-Star-Ausgabe 2/2013, sie hat 24 Seiten plus Poster und kostet 3,95 Euro. GT presents One Direction kostet ebenfalls 3,95 Euro, mit 16 Seiten plus Postern.