Kultur, Krasses und Kurioses: „The Red Bulletin“ verzichtet auf plumpe Red-Bull-PR und bietet manch spannende Geschichte. Auf Dauer ist die Lektüre aber anstrengend.
Ich hasse Energy-Drinks, schon ihr Geruch widert mich an. Vielleicht erklärt das, warum ich The Red Bulletin früher ungelesen weggeworfen habe. Als FAZ-Abonnent bekam ich das Magazin eine Zeit lang als kostenlose Beilage, trotzdem habe ich ihm nie eine Chance gegeben.
Dabei ist das Heft schon aus professioneller Sicht interessant: Die Macher müssen mit Red Bull eine Marke inszenieren, die die Welt wohl nur bedingt besser macht. Eine Firma, um deren Hauptprodukt sich das Gerücht hält, es enthalte Anteile von Stierhoden.
Auch mit Blick auf die Zielgruppe hat es das Redaktionsteam nicht leicht: Muss so ein Heft aufputschen wie das Getränk? Und schreibt man eher für das Disko-Publikum, das Red Bull mit Wodka mixt, oder für Workaholics, die ihren 18-Stunden-Tag nur dank Koffeindoping durchhalten?
„Adrenalin vom Feinsten“
Mit The Red Bulletin hat sich Red Bull fürs Aufputschen und die erlebnisgeilen Kunden entschieden. Unter dem Slogan „Abseits des Alltäglichen“ soll das Heft einen Mix aus Action, Sport, Reisen, Musik und Kunst bieten, heißt es auf der Website, „Adrenalin vom Feinsten“.
Die Ausgabe, die ich neulich am Bahnhofskiosk gekauft habe, wirkt auf den ersten Blick durchaus ansprechend – das Layout ist bunt und bildstark, fast bis an die Grenze des Erträglichen. Hier traut sich jemand was. Beeindruckt haben mich diverse doppelseitige Sportfotos, am Heftbeginn und als Auftakt längerer Geschichten. Bei einigen Aufnahmen verrät das Heft sogar, wie sie entstanden sind.
Optisch anstrengend sind dagegen die meisten Seiten mit kleinteiligem Inhalt. Besonders das letzte Heftressort „Action“ wirkt so überladen, dass man dem auffallend dünnen Heft mehr Breite wünscht.
Inhaltlich bietet The Red Bulletin ungefähr den versprochenen Themenmix: Neben dem naheliegenden Extremsport – Red Bull sponsert zahlreiche Athleten – geht es vor allem um Filme und Musik. So darf sich die Berliner Band The BossHoss im Interview seltsamen Meta-Fragen stellen, wie „Hat Political Correctness den Spaß an der Musik getötet?“. (Antwort: „Dass die Leute spaßbefreit sind, merkt man ja ständig.“)
Viele Männer, ein Popstar, eine Witwe
Enttäuscht haben mich die Titelgeschichten: Trotz Cover-Erwähnung ist das Interview mit Rapper Casper kaum eine Seite lang. Der Artikel über Sängerin Elliphant entpuppt sich im Wesentlichen als Bildstrecke, die Schwedin präsentiert sich in knappen Outfits. Nicht nur an dieser Stelle wirkt The Red Bulletin wie ein Heft von Männern für Männer. Die einzige Frau, über die es sonst noch berichtet, ist eine Sportler-Witwe.
Das Interview mit Sherry McConkey, deren Mann Shane beim Ski-Base-Jumping ums Leben kam, ist allerdings lesenswert. Anlässlich einer aktuellen Doku erzählt die Witwe, wie sie den Unfall verarbeitet hat – ein Thema, das ich nicht unbedingt in diesem adrenalingetränkten Magazin erwartet hätte. Ein weiterer Text, der im Mittelteil des Hefts hervorsticht, ist das Porträt zweier Dänen, die mit einer selbstgebauten Rakete ins All wollen. Kurios und äußerst spannend.
Allerwelts-Rubriken und unnützes Wissen
Die Qualität der Heft-Rubriken variiert. Nett und originell ist zum Beispiel die Rubrik „Formelsammlung“, in der diesmal ein Physiker mithilfe von Formeln erläutert, wie Riesenwellen entstehen. Andere Rubriken hatte ich gefühlt schon hundertmal gelesen: Ein DJ gibt Ausgehtipps für seinen Wohnort, ein Musiker verrät, welche Platten ihn inspiriert haben. Rundherum findet sich noch unnützes Wissen à la Neon. Das Workout eines Golfers wird anhand von gerade mal zwei Übungen vorgestellt.
Sprachlich sind die meisten Artikel ordentlich, nur Kleinigkeiten nerven. Bei Zeilen wie „Big-Wave-Wahnsinn“ beispielsweise rutschte das Heft für meinen Geschmack zu stark ins Englische. Auch manchen Lesehinweis fand ich überflüssig, etwa das Ausrufezeichen beim Satz „Innerhalb von nur sechs Monaten brach ich mir dreimal (!) das linke Schlüsselbein.“ Ich hätte auch so verstanden, dass sich hier jemand sehr oft sehr weh tut.
Erzählen mit dem Holzhammer
Bei einer Reportage über Powerboat-Rennen machen schon die hervorgehobenen Zitate klar, welcher Stil dem Leser droht. „Wasser ist bei diesem Tempo wie Beton“, heißt es im ersten Zitat, „– mit dem Unterschied, dass du darin, nachdem es dein Boot zertrümmert hat, auch ertrinken kannst“. Im zweiten: „Zu schnell in die Welle: Das Deck trennt sich vom Rumpf, das Boot wird wie eine Sardinenbüchse aufgeschält.“ Und spätestens beim dritten Zitat versteht auch der oberflächlichste Leser, wie krass dieser Sport ist: „Powerboat-Racing ist eine der gefährlichsten Motorsportarten: Seit 1972 gab es 25 Tote.“ Erzählen mit dem Holzhammer.
Immerhin verzichtet das Red-Bull-Heft weitgehend auf plumpe Eigen-PR. Dass die Firma hinter dem Heft steht, merkt man am stärksten im Startressort, dem „Bullevard“, das Hinweise auf Red-Bull-Events und ein Kurzinterview mit Felix Baumgartner enthält. In den längeren Texten kommt die Marke nicht vor, nur ein Mini-Bulle neben der Seitenzahl erinnert daran, wessen Heft man liest. Der hässlichste Heftinhalt ist eine Seite mit Terminen, auf der ein Dosen-Männchen Gewichte hebt.
The Red Bulletin – ein Fazit
Vermutlich wäre The Red Bulletin selbst gern jung, laut und wild – das sind die Adjektive, die es Covergirl Elliphant zuschreibt. Ich fand das Heft mit seinem Mix aus Kultur, Krassem und Kuriosen eher anstrengend. Während mir der Mittelteil gefallen hat, wirken Heftanfang und Heftende konzeptlos und mitunter optisch überladen. An diesen Stellen kostet das Durchblättern mehr Energie, als dass es Freude macht.
Seit ich die Heft-Website kenne, habe ich übrigens eine neue Theorie, warum ich mit The Red Bulletin nichts anfangen konnte: Das Magazin bringe das Unerwartete zutage, heißt es online, „Persönlichkeiten, die sich außerhalb der Norm bewegen, Grenzen ausreizen, Lebenslust zeigen, gegen den Strom schwimmen, eine Leidenschaft für Abenteuer haben und bereit sind, neue Wege zu gehen. So wie die Leser des The Red Bulletin.“
Vermutlich war ich einfach zu normal für dieses Heft.
Infos zum Heft
The Red Bulletin erscheint monatlich in der Red Bull Media House GmbH, die auch das Wissensmagazin Terra Mater und die Outdoor-Zeitschrift Servus in Stadt & Land veröffentlicht.
Das Heft gibt es in Deutschland seit 2009, derzeit ist es als Beilage der Leipziger Volkszeitung erhältlich, ebenso als App, im Abo und im Bahnhofsbuchhandel. Außer in Deutschland erscheint das Magazin unter anderem in Frankreich, Mexiko und Brasilien.
Besprochen wurde die Oktober-Ausgabe 2013. Sie hat 100 Seiten und kostet am Kiosk zwei Euro. Die Fotos habe ich in Absprache mit Red Bull verwendet. Das Heft kann man auch online lesen.