Entdeckt (52): Resterampe 2013 – Neun noch erwähnenswerte Magazine

Vom politischen Heimatmagazin bis zur „Maxim“-Reinkarnation: Im Laufe des letzten Jahres haben sich bei mir einige bemerkenswerte Zeitschriften angesammelt. Neun Kurzkritiken.

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Auch als Printliebhaber lässt sich der Fortschritt kaum ignorieren: Fernsehzeitschriften liegen statt DVDs immer häufiger Blu-rays bei. Man liest von Flughafen-Automaten, die Magazine aus aller Welt drucken. Von Apps, mit deren Hilfe Zeitschriften das Wohnungseinrichten erleichtern. Und selbst im Kleinstadt-Supermarkt stößt man auf neue Prepaid-Karten – nicht fürs Handy, sondern für Magazin-Downloads.

All das bedeutet aber nicht, dass der klassische Zeitschriftenmarkt tot wäre. Im Gegenteil: Über die letzten Jahre hinweg ist die Zahl der in Deutschland erhältlichen Titel sogar gestiegen. Allein 2013 kamen mehr als hundert neue Zeitschriften auf den Markt.

Doch welche Magazine lohnt es zu lesen? Einige Gedanken zu Heften, die mir in Erinnerung geblieben sind:

1) WASD – Schön abseitige Spielgeschichten

Eigentlich kaufe ich keine Spielezeitschriften mehr. Vorabberichte, Tests, Tipps  das meiste, was Hefte wie PCGames bieten, finde ich auch auf Websites, in Blogs oder auf YouTube. Umso mehr freut mich, dass seit Sommer 2012 ein Bookzine erscheint, das dem Wetthypen aktueller und kommender Spiele entsagt. WASD widmet sich in jeder Ausgabe einem Oberthema, bislang schrieb die bunt gemischte Autorenschaft zum Beispiel über „Games und Politik“ und „Die Zukunft der Games-Kultur“. Dem Thema nähern sich die Schreiber unterschiedlich, auf rund 200 Seiten finden sich ernsthafte Analysen, aber auch Anekdoten und Nerdfantasien, etwa Rezensionen zu fiktiven Spiele aus der Zukunft.

Cover der zweiten von bislang insgesamt vier WASD-Ausgaben.

WASD-Cover: Die zweite von vier Ausgaben drehte sich ums Thema „Games und Politik“.

Im Lauf von vier Ausgaben hat sich WASD konsequent weiterentwickelt, aus einer etwas drögen Textsammlung ist ein Schmökerheft geworden  einigermaßen zeitlos, aber nicht gänzlich inaktuell. Besonders gefällt mir, wie viele abseitige Themen es ins Heft schaffen: GTA 5 etwa nähert sich eine Autorin über das integrierte Golf-Spiel. Würde dieses Magazin mit Buchhaptik weniger als 15,90 Euro kosten, ich wäre Stammkäufer. So reicht mir manchmal die Online-Leseprobe.

2) The European Für Leitartikel-Liebhaber

Auch bei The European, dem Printprodukt zum gleichnamigen Webportal, schreckt mich am ehesten der Preis ab. Prinzipiell lese ich das acht Euro teure „Debatten-Magazin“ gern, schließlich besteht es fast nur aus Kolumnen und Kommentaren Stilformen, die mir in vielen Heften zu selten vorkommen. Schwerpunkt jeder Ausgabe sind eine Handvoll gesellschaftlicher Fragen, zu denen jeweils mehrere Gastautoren ihre Meinung beisteuern. So geht es zum Beispiel um Geheimnisse, um Freundschaft in der Politik oder ums Leben im Jahr 2112.

Neben dem reduzierten Layout mag ich bei The European die Textlängen: Wirklich wenige Kommentare arten in Geschwafel aus. Außerdem sind alle Artikel auch für Laien verständlich, ein Punkt, in dem sich das Heft von manchem Wissenschafts- oder Philosophieblatt abhebt.

Zuletzt allerdings hat The European bei mir ein wenig Sympathie verspielt: Die vorletzte Ausgabe kaufte ich vor allem wegen der Coverzeile „Paul van Dyk vs. Florian Silbereisen„. Praktisch hatte das „vs.“, das noch zwei Mal auf dem Titel auftauchte, aber leider nichts zu bedeuten: Statt des erhofften Streitgesprächs fanden sich im Heft schlicht zwei Interviews, ohne nennenswerten Bezug aufeinander.

3) Stadtaspekte Stadtlust in dreckig

Als ich Anfang 2013 Stadtlust besprach, wünschte ich mir ein Magazin, das auch die schmutzigen Seiten des Großstadtlebens reflektiert, möglichst ohne Einkaufstipps. Tatsächlich gibt es so ein Heft. Es heißt Stadtaspekte und ist erst zwei Ausgaben jung. Für 7,90 Euro habe ich es im Supermarkt entdeckt, mit ansprechenden Themen wie Hauswächtern, den Pariser Katakomben und dem Drogenhandel in Parks. Ein Pflichtkauf.

Zuhause war ich nicht mehr so begeistert. Auch beim zweiten und dritten Durchblättern fühlte ich mich im Heft verloren, zwischen früher und heute, zwischen Münster und Nahost. Jede Geschichte schrie mit Bildern und Zitaten um Aufmerksamkeit, in Stadtaspekte wirkte alles gleich wichtig. So kam es, dass ich vielleicht mit den falschen Artikeln startete: Im Katakombentext jedenfalls vermisste ich Reportage-Elemente und der Drogentext war sprachlich so anstrengend, dass ich die Lust aufs Weiterlesen verlor. Vielleicht probiere ich es nochmal mit Ausgabe 3, die am 20. Januar erscheint.

4) MUH Wo Eisstockschießen auf Asylpolitik trifft

Erst im Laufe der Zeit warm wurde ich mit MUH, einem Magazin, das nicht davor zurückschreckt, einen Fragebogen „Kuh & A“ zu nennen. Doch MUH, gestartet 2011, nehme ich das nicht übel. Angesichts ungewohnt hoher und vollgestopfter Seiten wirkt dieses Heft über „Bayerische Aspekte“ fast gewollt unperfekt, sperrig aus Prinzip. Und tatsächlich ist MUH keine Wohlfühlheft. Im Gegensatz zu anderen Heimatmagazinen findet hier zwischen Lebensart und Leuten auch Politisches Platz, nach dem Motto: Bayern ist cool, aber es gibt Dinge, die scheiße laufen.

So berichtet MUH praktisch über alles, was im Süden Gesprächsstoff bietet, vom Eisstockschießen über Asylpolitik bis zum Oktoberfestattentat. Bislang habe ich vier der zwölf Ausgaben gekauft und war nie enttäuscht: Mit 5,50 Euro hat MUH einen fairen Preis und irgendwo zwischen Kindercomic und Witzeseite findet sich eigentlich immer Lesenswertes, etwa in Form ungewöhnlich langer Interviews.

5) Der Wedding Der Reiz des Alltäglichen

Im positiven Sinne solide fand ich Der Wedding, ein „Magazin für Alltagskultur“, das mir seine Macher geschickt haben. Obwohl fast alle Artikel im Berliner Stadtteil Wedding spielen, versteht man sie auch als Münchner, Hamburger oder Gelsenkirchener: Im Themenheft „Geld“ geht es um Leihhäuser, um Schrott- und Flaschensammler und um die Frage, wer hinter Kleinanzeigen wie „Schnell und einfach Geld verdienen!“ steckt. Die Journalistenphrase „Die besten Geschichten liegen auf der Straße“ wurde hier wörtlich genommen.

Der Wedding: Durchaus lesenswertes Magazin aus Berlin.

Der-Wedding-Cover: Das Magazin aus Berlin erscheint nur einmal im Jahr.

Obwohl Der Wedding weder optisch noch sprachlich beeindruckt, habe ich verteilt über einige Tage jeden Text gelesen, als Zeitvertreib. Es müssen ja nicht immer Skandale und Sensationen im Stil von Stern und Spiegel sein. Denn so trivial die Wedding-Geschichten sind, sie verlieren zumindest nicht an Aktualität: Sie sind heute nette Lektüre, aber auch in sechs Monaten. Und genug Zeit hat man bei diesem Heft für 6,99 Euro garantiert: Der Wedding erscheint nur einmal pro Jahr.

6) Serienstar  Nichts für echte Serienfans

Als Fan enttäuscht hat mich Serienstar, „Deutschlands exklusives Magazin für TV-Serien“ aus der Computer Bild-Redaktion. Im Wesentlichen beschränkt sich das Heft darauf, 100 Serien zu beschreiben, mal mehrseitig, mal in exakt einem Satz. Neues habe ich dabei kaum entdeckt: Das Heft empfiehlt vor allem, was ohnehin erfolgreich ist, wie Mad Men und Walking Dead. Unter dem Strich ist Serienstar daher wohl nicht „Die Bibel für alle Serien-Fans“, wie auf dem Cover behauptet, sondern eher das Pendant zu Mein kleines Buch von der Kirche. Interessant ja, aber nur für Neueinsteiger.

Zwei Fragen stelle ich mir auch Wochen nach der Lektüre: Wer kam auf die Idee, dass dieses Heft ein „großes Soap-Spezial“ braucht, in dem ernsthaft über GZSZ und Verbotene Liebe berichtet wird? Und warum liegt gefühlt jeder Computer Bild ein Spielfilm bei, während dieses Heft ohne DVD erscheint? Hätte man bei einem Verkaufspreis von 5,90 Euro nicht ein paar Serienpiloten lizenzieren können, für frustrierte Käufer wie mich?

7) Das Buch als Magazin – Literatur, Fotokunst und Journalismus

Dass ich mit dem Kauf von Das Buch als Magazin bis Dezember wartete, war vermutlich eine Spätfolge meines Deutsch-Leistungskurses. Ich hatte viel Gutes über das Heft gehört, aber irgendwie keine Lust, mich mit Büchner oder Kafka zu beschäftigen. Jede Ausgabe der zwölf Euro teuren Zeitschrift besteht nämlich aus zwei Teilen: dem Originaltext eines Literaturklassikers und aus dazu passenden Magazingeschichten. Das Dramenfragment Woyzeck ergänzen in Ausgabe 2 zum Beispiel eine Bildstrecke über tote Tiere und ein Interview mit einer Psychiaterin. Literatur trifft Fotokunst und Journalismus.

Am Ende scheiterte aber auch dieser Mix daran, mich fürs Büchners Text zu begeistern: Nach der Hälfte von Woyzeck stieg ich aus, trotz netter Bebilderung und Hintergrundinfos am Seitenrand. Ein Fehlkauf war Das Buch als Magazin trotzdem nicht, dafür waren die Magazingeschichten zu gut, die zwei Drittel des Hefts ausmachen. Besonders gefallen hat mir eine Geschichte über deutsche Frauen, die mit US-Soldaten verheiratet sind. In Form von 60 kleinen Statements originell erzählt, war sie auch losgelöst von Woyzeck absolut lesenswert.

8) agora42  Philosophieheft mit Filmtipps

Ökonomie? Philosophie? Und das auch noch zusammen? Agora42 hätte ich nie gelesen, wäre es nicht per Post gekommen. Die Macher dieses „philosophischen Wirtschaftsmagazins“ hatten mir ein Exemplar geschickt, wohl nicht wissend, dass ich schon Hohe Luft anstrengend fand.

In der Zeitschrift agora42 trifft Wirtschaft auf Philosophie.

Agora42-Cover: 8,90 Euro kostet dieses Heft, in dem Ökonomie auf Philosophie trifft.

Letztlich war agora42 aber besser als erwartet: Das minimalistische Layout sieht schick aus und die Texte lassen sich ohne Fachstudium verstehen. Und bei den Themen müssen Laien eben darauf hoffen, dass zufällig etwas für sie Spannendes dabei ist. Mich sprach in der Ausgabe 1/2014 zum Beispiel das Thema Einfalt der Medien an, ebenso die Erklärung, warum der Kapitalismus ausgerechnet in England entstanden ist. Wirklich das Interesse verlor ich erst im letzten Drittel, wo das Magazin optisch nachlässt und auch inhaltlich kleinteiliger wird.

Positiv in Erinnerung geblieben sind mir von agora42 noch zwei Dinge: Einerseits der Service, dass alle längeren Artikel mit passenden Medienempfehlungen des Autors enden, darunter Filme und Bücher. Anderseits die nette Idee, ein Förderabo anzubieten: Wer einmalig 420 Euro zahlt, bekommt das 8,90 Euro teure Heft ein Leben lang kostenlos.

9) Menmix Interviews mit den Symbolbild-Frauen

Mancher Schrott ist nicht totzukriegen. Nachdem das Männerheft Maxim im Herbst 2012 eingestellt wurde, kam unter dem Namen Matrix ein identisch mieses Magazin auf den Markt. Und jetzt, wo auch Matrix wieder aus dem Regal verschwunden scheint, liegt da plötzlich Menmix, mit dem Aufdruck „Neu“. Irgendwer scheint noch immer zu glauben, dass es einen Markt gibt für ein Heft, das kuriose Internetfotos druckt, anderthalb Jahre zu spät das BILD-Buch vorstellt und Modelfotos so betextet: „Sie kann sich drehen und wenden wie sie will – der Po bleibt rund.“

Wie wenig Menmix für 4,50 Euro bietet, deuten die Bildstrecken an: Posierten für Maxim einst noch bekannte Models, landen heute 08/15-Agenturfotos im Heft. In der Winterausgabe jedenfalls finden sich den Credits zufolge nur Shutterstock-Fotos, auch das Titelbild stammt von der Plattform. Mit diesem Wissen fällt es mir dann schwer zu glauben, dass die im Heft porträtierten Frauen wirklich Maria und Tracy heißen und dass die zugehörigen Kurzinterviews nicht ausgedacht sind. „Vielen Dank, das Shooting mit euch war wirklich toll“, sagt Maria am Gesprächsende, jenes Model, deren Foto aus dem Heft schon Monate zuvor ein CD-Cover zierte.


Wer eines der vorgestellten Magazine lesen will: Abos und Einzelausgaben der Hefte lassen sich meistens direkt über die im Text verlinkten Websites bestellen. Mit Ausnahme der WASD werden alle Hefte außerdem mindestens über den Bahnhofszeitschriftenhandel vertrieben.

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