Entdeckt (54): Equistyle – Fashion, Pferde, Falten

Sport und Mode, Luxus und Leidenschaft: Das Magazin „Equistyle“ präsentiert den Reitsport als Welt der Schönen und Reichen, mit Models, die im Designeroutfit durch den Stall schlendern. Nebenbei bringt es den Leserinnen Botox-Behandlungen näher.

coverequistyle

Es gab eine Zeit, da wollte ich Computerspiele erfinden. Also machte ich mein Schülerpraktikum bei einer Lokalisierungsfirma, einem Büro, das Spiele an den deutschen Markt anpasst. Ich hoffte, dort tolle Rollenspiele übersetzen zu dürfen, Monate, bevor sie in Deutschland erscheinen. Doch so ganz klappte das nicht. In der Praxis verbrachte ich Tage damit, im Spiel Abenteuer auf dem Reiterhof 2: Die Verschwörung Sprachfehler zu suchen und diese zu protokollieren – eine Aufgabe, nach der ich von Pferden erstmal die Schnauze voll hatte, egal, ob echt oder digital.

Zehn Jahre später bin ich über mein Erlebnis hinweg. Auf die eher ironische Empfehlung einer Freundin hin habe ich mir Equistyle gekauft, ein Magazin über „Pferdesport, Fashion, Lifestyle, People“. Die Inhalte einer normalen Frauenzeitschrift werden hier also noch mit Pferden aufgepeppt. Obwohl Equistyle sehr lifestylelastig ist und zuletzt etwa eine Modestrecke mit Lena Gercke bot, fand ich das Magazin bei den Tierheften, zwischen Fachzeitschriften wie Pferde Fit & Vital und Pferd und Wagen – Europas großes Magazin für Gespannfahrer.

Luxus-Leggins und Pferdehaar-Ohrringe

Equistyle ist vor allem ein Modemagazin. So lernt die Leserin nichts über den Umgang mit Pferden, bekommt aber zahlreiche Ideen, was sie bei Turnieren oder beim Stallbesuch anziehen könnte. Die Tipps reichen von den Ohrringen aus Pferdehaar für 500 Euro bis zur „luxuriösen Leggins“ aus Lammleder für 999 Euro. Werden die Kleidungsstücke anfangs lieblos mit kleinen Fotos präsentiert, finden sich weiter hinten im Heft Fotostrecken mit Models. Preise werden dann nicht mehr genannt.

Modeseite: Equistyle kombiniert Mode und Pferdesport.

Ausschnitt aus dem Inneren der aktuellen Ausgabe: Etwas trostlose Modeseite.

Zwischen den Modeabschnitten bietet die Zeitschrift auch Lesestücke, darunter ein Nachruf auf einen Zuchthengst („Im Januar ist ein großes Pferd von uns gegangen“) und die Geschichte einer Frau, deren Pferd in ihrer Wohnung lebt („Nur die Schlafzimmer bleiben natürlich strikt getrennt“). Leider sind fast alle interessanten Texte sehr kurz, was auch für ein Interview mit Thomas Kretschmann gilt. Darin erzählt der Schauspieler, wie er reiten gelernt hat.

Viele Frauen mit Fotografen-Freunden

Die letzten Heftseiten zeigen Fotos von Leserinnen und ihren Pferden, Bilder, die dem Magazin auf einen Facebook-Aufruf hin geschickt wurden. Den Aufnahmen nach zu urteilen, scheinen Equistyle vor allem Frauen zwischen 20 und 35 zu lesen, die jemanden kennen, der halbwegs professionell fotografiert. Einen weiteren Hinweis auf die Zielgruppe liefert ein Texteinstieg einige Seiten zuvor: „Die letzte Bachelor-Staffel hat es uns mal wieder vor Augen geführt …“

Kleidet sich die Leserschaft noch halbwegs alltäglich, gehen die zwei großen Fotostrecken des Hefts einen Schritt weiter. Auf 26 Seiten posieren Models mit Swarovski-Schmuck und Chanel-Kleid, mal vor einer Kutsche, mal mit echten Pferden, mal vor Pferdebildern, die an einer Wand hängen. Mit Reitstall-Atmosphäre im Stil von „Bibi & Tina“ hat das wenig zu tun. Auf mich machen die Models auch nicht den Eindruck, als hätten sie vor, noch aufs Pferd zu steigen.

Weniger kitschige Fotos als befürchtet

Obwohl das Pferde-Thema eine gewisse Skurrilität mitbringt, fand ich die meisten Bilder ästhetisch – Frauen und Pferde lassen sich definitiv peinlicher in Szene setzen. Anderseits wirken viele Fotos ein wenig steril. Das Gesicht der aktuellen Ausgabe ist übrigens Nadja Auermann, bei den anderen Models wird kein Name erwähnt. Als jemand, dem reine Fotostrecken irgendwie zu wenig sind, hätte ich mir zum Auermann-Shooting einen Begleittext oder ein kurzes Interview gewünscht: Mich hätte interessiert, welchen Bezug das Model zu Pferden hat.

Während es bei Nadja Auermann überhaupt keinen Text gibt, sind andere Artikel schlicht langweilig. Ein Event-Bericht über den Grand Prix Hermès in Paris etwa endet mit Geschwafel über das Unternehmen Hermès. Und auch sonst fallen häufig Marken- und Sponsoren-Namen: Thomas Kretschmann wird im Editorial als „Schauspieler und Markenbotschafter für Maybach Icons of Luxury“ vorgestellt.

Anti-Falten-Werbung im Heftlayout

Drei Geschichten im Heftlayout sind per Rubrikname als Advertorial gekennzeichnet, es handelt sich also um Anzeigen. Geworben wird auf diese Art für eine Mietwagenreisen durch Südafrika, für eine Jachtkreuzfahrt und für Faltenbehandlungen, mit Botox und Eigenfett. Letzterer Text, der Angebote der Medical-One-Kliniken vorstellt, wird im Inhaltsverzeichnis wie ein Artikel aufgelistet: „Faltenfrei ohne Skalpell: Expertentips für ein junges Aussehen“, heißt es dort. Auf der vorletzten Heftseite findet sich noch eine reguläre Anzeige von Medical One.

Ausschnitt aus der Frühjahrsausgabe: Nachruf auf ein Pferd.

Aufgeräumt wirkendes „Equistyle“-Layout: Nachruf auf ein Pferd.

Während die Artikel bisweilen seltsam wirken, überzeugt Equistyle optisch durchaus. Das Layout wirkt angenehm aufgeräumt und die Fotos sind durchweg ansehnlich, auch doppelseitige Motive funktionieren. Dass Seiten leblos oder langweilig wirken, kommt vor, ist aber die Ausnahme.

Keine Scheu vor Sprachspielereien

Sprachlich dagegen fehlt dem Heft guter Stil. Mir war Equistyle zu pseudogehoben, die Rubriken haben Namen wie „Travel“, „Must-haves“ oder „Spotlight“, die Leserin wird gesiezt. Gleichzeitig scheut das Heft nicht vor plumpen Sprachspielereien, im Editorial etwa heißt es: „So starten viele beispielsweise in die neue (Turnier)Saison, der eine oder andere vielleicht auch mit neuem Partner? Ich spreche hier natürlich in erster Linie vom Partner Pferd.“

Später geht es flapsig weiter, mit Formulierungen wie „tadelloses Aussehen, wie aus dem (Oster)Ei gepellt“ und, in Anspielung aufs Thema Bekleidung: „In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen ’schönen‘ Start in den Frühling“. Andere Texte sind ungelenk formuliert. So heißt es zu einem Ritt durch die Wüste Omans: „Die Wüstendurchquerung war alles andere als ein triviales Kinderspiel, zum Glück gab es begleitend eine professionelle logistische Betreuung“. Da ist es vielleicht doch attraktiver, am Computer Pferde zu pflegen als weiterzulesen.

Equistyle – ein Fazit

Ich kann mir vorstellen, dass es für Equistyle eine Zielgruppe gibt: Pferdefans, denen die üblichen Fachmagazine nicht schick genug für den Couchtisch sind. Mich konnte das Heft allerdings nicht für die Hochglanzwelt des Reitens begeistern, dafür waren die Texte zu kurz oder lieblos geschrieben. Und für nette Fotos will ich keine 5,90 Euro ausgeben. Außerdem hatte ich bei Equistyle stärker als bei anderen Magazinen den Eindruck, dass das Heft vor allem für Anzeigenkunden gemacht wird: Die Leserinnen-Fotos am Ende zählen zu den wenigen Inhalten, bei denen es nicht um Firmen und Produkte geht.


Infos zum Heft

Equistyle erscheint seit 2010 vierteljährlich in der Münchner Erichsen Media GmbH. Kaufen kann man das Heft unter anderem in Bahnhofskiosken und an Flughäfen, aber auch auf Pferdesport-Veranstaltungen. Die Equistyle-Auflage liegt derzeit bei 35.000 Exemplaren.

Besprochen wurde die Ausgabe 2/2014 aus dem Frühjahr 2014. Sie hat 100 Seiten und kostet 5,90 Euro.

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