Entdeckt (58): Mutti kocht am besten – Fancy Shit und creamy-dreamy Sahnesoße

Wie macht man Red Hot Chili Peppers mit Lachs? „Mutti kocht am besten“ soll jungen Leuten das Kochen näherbringen – mit appetitlichen Fotos und Anspielungen auf Bands und Serien. Ein guter Ansatz, wäre die Sprache einfach nur normal.

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Ich bin keine Koch-Null, aber kaum besser. Grundlegendes kriege ich hin, aber sobald in einem Rezept Begriffe wie Blanchieren und Pochieren auftauchen, brauche ich Google. Da hilft es auch nicht, dass ich vor längerer Zeit bei einem Kochkurs mitgemacht habe, in der Hoffnung, mein Wissen auszubauen und dort nette Singlefrauen zu treffen.

Nach fünf Wochen beherrschte ich nur zwei, drei neue Gerichte, kannte aber immerhin einige ältere Mittvierziger, in deren Alltag es seit kurzem keine Ehefrau und damit auch keine Küchenaktivität mehr gab. In den Vorgängerkursen sei das Geschlechterverhältnis oft ausgeglichen gewesen, behauptete unsere Lehrerin, die einzige Frau im Raum.

Um meine Essenspalette mal wieder zu erweitern, habe ich neulich Mutti kocht am besten gekauft, ein Heft, dessen Facebook-Slogan mich eindeutig als Zielgruppe ausweist. „Das Kochmagazin für alle, die eigentlich nicht kochen“, lautet der Werbespruch – das Heft soll Laien erklären, wie man Küchenklassiker zubereitet. Basics statt Blanchieren. Da schreckte es mich auch nicht ab, dass die Titelzeile „Na, du Nudel!“ hingeschlampt wirkt und außerdem an Beef erinnert. Das Magazin für Fleischfans lag neulich mit dem Titel „Ey, Keule“ am Kiosk.

Willkommen im „House of Tartes“

Beim ersten Durchblättern macht Mutti kocht am besten einen guten Eindruck. Die Fotos sind durchweg appetitlich, die Bandbreite der Gerichte reicht von Spaghetti Bolognese über Wiener Backhendl bis zum veganen Linsen-Kokos-Curry. Einige der klassischen Gerichte sprachen mich auf Anhieb an, etwa mehrere Frikadellen- und Rührei-Varianten.

Und dann gibt es noch einige Dinge, die nie in der Küche meiner Mutter aufgetaucht sind, die aber zumindest ein witziges Partymitbringsel sind. Wie wär’s mit Sandwiches mit Chips-Belag oder mit einer Süßigkeiten-Pizza, voll mit Oreo-Krümmeln, Twix-Stücken und Raffaello-Trümmern?

An vielen Stellen im Heft finden sich Anspielungen auf Serien und Bands. Unter dem Stichwort „House of Tartes“ werden etwa Kuchen-Ideen für Fans der Serie House of Cards präsentiert. An anderer Stelle werden Bandnamen nachgebaut: Es gibt Red Hot Chili Peppers mit saftigem Lachs und Black Eyed Peas auf Avocado-Mango-Salat. Per QR-Code lässt sich jeweils eine passende Spotify-Playlist aufrufen. Nette Ideen, die mich tatsächlich in meiner Lebenswelt abholen.

Kuchen-Rezepte, die zu „House of Cards“ passen: Im Heft finden sich diverse Anspielungen auf Songs und Serien (Foto: Bauer Verlag)

Ich fühle mich alt

Es gibt aber auch Momente, in denen ich mit dem Heft fremdle. Der Sprachstil zum Beispiel nervt. Zubereitungshinweise enden gern mit Kommentaren wie „fancy Shit“, „Dazu schmeckt Reis ganz nice“ oder „Komplett auskühlen und Bite für Bite vernaschen“. Ein Törtchen ist „sündig, edel und delicious“, eine gefüllte Avocado ein „hammermäßiges Powergericht“.

Gefüllte Tortillas „flashen“ mit ihrer „creamy-dreamy Sahnesoße“. Es geht um „Hangover-Food“ und um „upgecycelte DIY-Deko“. Wein heißt „Vino“, Plastikfiguren sind „Designer Toys“. Und „Brutzelstars“ hauen „eiskalt“ ihre Rezepte für „drei echt heiße Nummern“ raus.

Dass ich mich beim Lesen alt fühle, ist eine beachtliche Leistung für ein Heft mit Retrotitel. Vielleicht ist meine Reaktion aber auch normal und die Macher haben die Begriffe nur in einer Werbeagentur aufgeschnappt, die gerade eine Kampagne für Hipster entwirft. Auf der Verlagswebsite heißt es, Mutti kocht am besten richte sich an eine junge Zielgruppe, die „kreativ, unisex und urban ist“. Durch den lockeren Ton werde klar, dass Mutti nicht auf den Mund gefallen ist. Ah ja.

Wortspiele auf fast jeder Seite

Überhaupt scheint die Mutti-Redaktion ihre Kreativität kaum bremsen zu können. Es gibt im Heft witzige Wortspiele, aber da auf fast jeder Seite Formulierungen wie „Yes, we candy!“, „Reis, Reis, Baby!“ und „Pimp your TK-Gemüse“ auftauchen, wurde es mir schnell zu viel.

„You’ll never wok alone“ zum Beispiel ist eine nette Überschrift für eine Rezeptstrecke zum Thema Asia-Karaoke. Aber müssen wirklich noch diverse ähnliche Anspielungen folgen, wie „Wok it, Baby!“, „Sing like a Wokstar!“ und „We’re wok all night to get lucky“? Meins ist das nicht, genauso wenig wie eine Gerichtvorstellung, die mit „Verstehst du nur Banh-hof? Banh Mi ist ein belegtes Baguette“ beginnt.

Auch bei der Optik übertreibt es das Heft manchmal. Das Layout ist eigentlich gut, es gibt viele nette Design-Ideen, von handschriftlichen Notizen über „Nomnom“-Sprechblasen von Plastikfiguren bis zu Emojis, die in einem Chatprotokoll auftauchen. Mitunter findet sich aber schlicht zu viel davon in einem Artikel, was einige Seiten überladen wirken lässt.

Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit Bildern

Immerhin überzeugt das Heft mit seinem wichtigsten Inhalt, den Rezepten. Sie sind verständlich geschrieben, ausreichend detailliert und zum Glück nüchterner formuliert. Ein Teil der Gerichte wird mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung in Bildern präsentiert, was ich extrem hilfreich finde. Zu jedem Gericht wird die Zubereitungs- und die eventuell noch folgende Wartezeit angegeben, ebenso die Schwierigkeit und die Kalorienzahl.

Tipps fürs Frikadellen-Machen: Das Magazin bietet Rezepte für klassische, aber auch für ungewöhnliche Gerichte (Foto: Bauer Verlag)

Vegane und vegetarische Gerichte tauchen ganz selbstverständlich auf, ums Thema bewusste Ernährung geht es aber selten. Eine daher fast unpassend wirkende Ausnahme ist das Porträt einer Veganerin, die zum Beispiel erzählt, dass sie auch schon mal was mit nichtveganen Männern hatte: „Die bekoche ich so lange gut, bis sie ihr Fleisch nicht mehr vermissen.“

Auf seinen 148 Seiten bietet das Heft neben den Rezepten durchaus netten Lesestoff: Es gibt einerseits kurze Küchen-, Bastel- und Ausgehtipps, in denen etwa erklärt wird, wie man aus 40 Weinkorken einen Pfannenuntersetzer baut oder wie man richtig mit Stäbchen isst. Anderseits gibt es mehrere längere Reportagen und Porträts.

Unterwegs mit dem Instagram-Kaffeefan

So zieht eine Redakteurin mit Bosch durch diverse Kaffeehäuser, einem Instagram-Nutzer, der auf dem Fotoportal eine Art Kaffee-Tagebuch führt. Ergänzt wird der Artikel mit Tipps zum Filterkaffee-Zubereiten. Am interessantesten fand ich das Porträt eines Profikochs, der sein Restaurant mitten in der schwedischen Einöde eröffnet hat.

Während solche Themen auch in Hefte wie das SZ Magazin passen würden, merkt man bei anderen Themen, wie deutlich Mutti kocht am besten auf junge Leute zielt. Vom durchgehenden Duzen abgesehen, wird das vor allem bei einzelnen Rezepten deutlich, wie dem für einen „Smoothie zum Klarkommen“. Und bei der Anleitung für den Käsekuchen steht gleich, dass man ihn unbedingt sonntags backen sollte: So lasse er sich Montag gleich mit in die Uni nehmen.

Mutti kocht am besten – ein Fazit

Insgesamt hat mich das Heft positiv überrascht: In Mutti kocht am besten finden sich tatsächlich einige Rezepte, die mich thematisch und durch gute Fotos ansprechen, und bei denen ich mir vorstellen kann, sie mithilfe des Hefts umzusetzen. Gut finde ich auch, dass es klassische Artikel gibt, so dass das Heft tatsächlich ein Magazin ist und mehr als eine reine Rezeptsammlung.

Noch eine Ausgabe werde ich mir wohl trotzdem nicht kaufen: Der Sprachstil ist einfach zu gewollt hip. Am liebsten hätte ich eine Light-Variante des Hefts: etwas übersichtlicher, mit ein paar Wortspielen weniger. Und den „fancy Shit“ kann man gleich ganz weglassen.


Infos zum Heft

Mutti kocht am besten erscheint im Heinrich Bauer Verlag, der zum Beispiel auch hinter der Promi-Illustrierten People, dem Jugendmagazin Bravo und der Frauenzeitschrift Cosmopolitan steckt. Das Magazinkonzept stammt von Schülern der Bauer-Journalistenschule.

2015 erscheint Mutti kocht am besten vierteljährlich, letztes Jahr kamen zwei Ausgaben auf den Markt. Die Druckauflage liegt derzeit bei 125.000 Exemplaren.

Besprochen wurde die Ausgabe 1/2015. Sie hat 148 Seiten und kostet 4,50 Euro. Die Innenaufnahmen hat mir der Verlag zur Verfügung gestellt.

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