Entsorgt (8): Flatrate-App Readly – Print kann so stumpf sein

Die Idee hinter der Magazinflatrate Readly mag ich. Man zahlt zehn Euro pro Monat und kann hunderte Ausgaben digital lesen. Ein Stück weit ist die App aber auch Negativwerbung: Sie zeigt, wie furchtbar eintönig viele Hefte sind.

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Individuelle Magazinauswahl bei Readly (wie alle Bilder eigener Screenshot aus der iPad-App): Manche Ausgaben ähneln sich sehr

Eigentlich sollte dieser Artikel ein kleiner Test zu Readly werden, einer Magazinflatrate, die ich im Oktober schon für Spiegel Online ausprobiert hatte. Damals war der Service für Plattformen wie Android und iOS gerade erst gestartet. Jetzt, nach einem halben Jahr, wollte ich nachschauen, ob die Auswahl und die Bedienung besser geworden sind.

Um es kurz machen: In meiner Testwoche habe ich fast keine Zeitschrift gelesen. Viel zu faszinierend fand ich Readlys Ausgaben-Archiv, mit dem sich zu jedem Titel eine Handvoll, manchmal auch dutzende alte Hefte abrufen lassen.

Ausnahmsweise sah ich so von Magazinen wie Maxi, TV Direkt und Mein Lieblingsrezept mal mehr als nur die aktuelle Ausgabe. Dabei verraten schon die Cover ziemlich viel über Machart der Zeitschriften. Teilweise wirkt es, als würde manche Redaktion Woche für Woche oder Monat für Monat dieselbe Ausgabe auf den Markt bringen.

Hier einige Erkenntnisse aus dem Readly-Archiv:

Das Wort jetzt ist sehr dehnbar

Cover Lieblingsrezept 1

Cover des Hefts Mein Lieblingsrezept (Originalreihenfolge): Immer acht Seiten mehr?

Als Journalist weiß ich, dass die Signalwörter „jetzt“, „nun“ und „gerade“ nicht unbedingt bedeuten, dass eine Nachricht oder Trend wirklich brandaktuell ist. Oft dienen sie schlicht als Leseanreiz oder werden genutzt, weil der Autor irgendetwas Älteres erst jetzt entdeckt hat.

Wie das Kochmagazin Mein Lieblingsrezept den Begriff „jetzt“ nutzt, hat mich trotz dieser Abhärtung überrascht. Bei Readly gibt es 16 Ausgaben des Monatsmagazins, die seit Februar 2014 erschienen sind. Und auf jeder einzelnen Titelseite findet sich das Werbeversprechen „Jetzt neu: 8 Seiten mehr“. Das Hier und jetzt scheint nie vorbei zu sein.

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Noch mehr Cover (Originalreihenfolge): Dicker wurde das Heft seit dem Februar 2014 nicht

Und falls jemand vermutet, das Heft könnte vielleicht von Monat zu Monat acht Seiten dicker geworden sein: nichts da. Die Seitenzahl im Mai 2015 ist die gleiche wie im Februar 2014.

Die TV Direkt hat einen klaren Dresscode 

Cover der TV Direkt (Originalreihenfolge): Nicht ohne rotes Kleid

Cover der TV Direkt (Originalreihenfolge): Nicht ohne rotes Kleid

Darüber, dass sich Fernsehzeitschriften zum Verwechseln ähnlich sehen, wurde schon oft berichtet. Besonders austauschbar scheinen dabei die Ausgaben der TV Direkt zu sein. Bei dieser Fernsehzeitschrift ist das Covergirl zwar nicht immer, sondern nur meistens blond. Dafür ist ein rotes Kleid auf dem blauen Hintergrund absolute Pflicht. Bei Readly sind sämtliche 14 Titelbilder nach diesem Prinzip aufgebaut.

Immerhin motzt das Heft nicht über die Eintönigkeit des deutschen Fernsehens, sondern verspricht „Super Ostern im TV“ und „neue Hit-Serien“.

 Fotografieren ist ein Männerhobby

Cover des Fachmagazins

Cover des Fachmagazins CanonFoto (Originalreihenfolge): Männerkopf auf ein Uhr

Hefte aus anderen Genres sind bei ihrer Titelgestaltung kaum kreativer: Vom Fachmagazin CanonFoto finden sich in der Flatrate-App sechs Ausgaben, deren Cover wie Variationen voneinander wirken. Je nach Jahreszeit sind die Männer, die durch den Sucher schauen, zumindest anders gekleidet.

So sehen also Lauras aus

Cover des Frauenhefts

Cover des Frauenhefts Laura (Originalreihenfolge): Stets der gleiche Typ Frau

Bei den Frauenzeitschriften blieb mir Laura im Gedächtnis. Auf dem Cover dieses Hefts landet offenbar stets der gleiche Typ Frau. Fast könnte man vermuten, es handle sich ausschließlich um Schwestern – oder manchmal sogar um dasselbe Model. Genauso wenig Abwechslung wie bei den Titel-Gesichtern bietet Laura bei den Schlagzeilen: Deren Bandbreite reicht von Schlankheitstipps über Abnehmideen bis zu Diätplänen.

Die Bella will immer abnehmen

Cover des Magazins

Cover des Magazins Bella (Auswahl): Hauptsache schlank

Genauso abnehmwütig wie die Laura ist die Bella. Von dieser Frauenzeitschrift gibt es bei Readly 35 Ausgaben, 33 davon widmen sich dem Thema. Dabei wird besonders der Begriff „schlank“ ständig verwendet. Manchmal lockt das Heft mit „Denk dich schlank“, mal mit „Schlank ohne Stress“. Ab und zu wird auch „Zwei Kilo weg im Schlaf“ versprochen.

Die Schöne Woche ist dauergeschockt

Cover der Frauenzeitschrift

Cover der Schönen Woche (Auswahl): Schockierende Ähnlichkeit bei den Titelzeilen

Das in Sachen Zeilenrecycling vielleicht schlimmste Heft ist Schöne Woche. In dem Klatschmagazin gibt es nicht nur immer wieder eine „Schockierende Enthüllung“ über Prominente. Auch eine nicht näher konkretisierte „Schock-Nachricht“, die sich im Innenteil meistens als harmlos erweist, soll häufiger zum Kauf animieren.

Steffi Graf und Günther Jauch wurde kürzlich die fragwürdige Ehre zuteil, im Doppelpack gleich mit beiden Formulierungen bedacht zu werden – im Abstand von nur sechs Wochen.

WLAN-Probleme gehen immer

Cover des Hefts

Cover des Hefts PC Welt (Auswahl): Immer mal wieder „volle Power“

Themenwiederholungen gibt es aber nicht nur bei Klatsch- und Frauenzeitschriften. Bei der PC Welt zum Beispiel wüsste ich gar nicht, ob ich bei Internetproblemen zuerst die April-Ausgabe 2015 oder das September-Heft 2014 herunterladen soll – die Titelzeile „Volle Power für Ihr WLAN“ jedenfalls ist die gleiche. Oder lohnt sich vielleicht eher ein Blick ins Juli-Heft 2014, „Ihr WLAN doppelt so schnell“?

Mit Maxi können sich Frauen gut fühlen

Cover der Zeitschrift

Cover der Zeitschrift Maxi (Auswahl): Die Leserin ist ganz sicher supertoll

Immerhin weiß ich mittlerweile, welche Hefte Frauen Diäten aufschwatzen wollen und welche wenig fordernd sind. Das Magazin Maxi etwa umschmeichelt potenzielle Käuferinnen. Seine Titelthemen lauten zum Beispiel „Du bist echt toll“ und „Du bist eine tolle Frau“, „Ich bin gut, so wie ich bin“ und – da wird es mir wirklich zu kitschig – „Ist das schön mit mir“. Dazu strahlt eine Frau um die 30 vom Cover.

Cover MyWay

Cover von MyWay (Auswahl): Fast immer positive Botschaften auf dem Titel

Ein Heft mit ähnlicher Leseransprache gibt es auch für ältere Frauen. MyWay erscheint mit Titelthemen wie „Schön, dass es dich gibt“ und „Ich glaub an mich“. Mit der Zeile „Du bist eine richtig tolle Frau“ ist MyWay sogar noch einen Tick netter als Maxi.

Digital gibt es manchmal weniger zu lesen

Cover mit weißen Flecken

Heftcover mit weißen Flecken: Digital gibt es manchmal nicht alles zu lesen

Weniger aufmunternd, sondern nur skurril wirkt manches Klatsch-Cover bei Readly. Einige Titelbilder haben weiße Färbungen, vermutlich sind hier die betroffenen Promis oder deren Verwandten und Bekannte gegen bestimmte Zeilen und Fotos vorgegangen. So darf man zum Beispiel bei Titelgeschichten über Helene Fischer und Joachim Löw rätseln, worum es eigentlich geht. Auch die Innenseiten helfen selten: Im Fall Löw ist die zugehörige Seite komplett weiß, dort gibt es nicht mal Bilder zu sehen. Seltsame digitale Printwelt.

 

Infos zum Flatrate-Dienst

Zum Schluss noch ein paar Gedanken zu Readly als Flatrate-Angebot:

  • Mit 9,99 Euro finde ich den Monatspreis okay, sofern man im jederzeit einsehbaren, mehrsprachigen Angebot genug spannende Hefte findet. Außerdem kann man jeden Monat kündigen.
  • Mich interessiert leider nur eine Handvoll von Titeln wirklich, etwa Making Games, ein Fachmagazin für Spieleentwickler. Die meisten Hefte sind Frauen- und Klatschmagazine aus den Häusern Funke und Bauer. Aus Deutschland sind etwas mehr als hundert Titel samt älteren Ausgaben verfügbar, außerdem gibt es Hefte aus dem Ausland. Die bekanntesten Readly-Hefte dürften die Bravo, die Hörzu und die TV Movie sein.
  • Die Navigation durch die Hefte fand ich selbst auf einem iPad wenig intuitiv, immer wieder reagiert die App verspätet oder unerwartet auf Eingaben.
  • Auf einem Smartphone fand ich das Lesen generell anstrengend, da der Bildschirm zu klein ist. Das ist ein Problem, weil man sich bei Readly quasi durch PDF-Seiten scrollt. Anders als in klassischen Magazin-Apps lassen sich Artikel nicht einzeln aufrufen.
  • Außerdem fehlen natürlich alle etwaigen Extras der Hefte, wie Sticker bei Frauenheften oder DVDs bei Spieleheften.
  • Gut finde ich, dass man bis zu 500 Ausgaben herunterladen kann, etwa für längere Bahnfahrten ohne Internetverbindung. Ebenso lassen sich Lesezeichen setzen und einzelne Seiten per E-Mail oder Facebook verschicken – hier ist mir aber die Rechtslage unklar.
  • Anders als bei meinem Test im Oktober gibt es mittlerweile eine Funktion, mit der sich die Hefttexte durchsuchen lassen.
  • Insgesamt wirkt Readly inhaltlich wie technisch jedoch noch immer unausgereift. Wer aber ein wenig in die Welt der Nischen- und Klatschhefte reinschnuppern will, kann mit den angebotenen 14 kostenlosen Probetagen nicht viel falsch machen.

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