Es geht immer noch aufregender und absurder: Wenige Hefte haben so denkwürdige Cover wie die Angelzeitschriften. Eine Schlagzeilen-Typologie der „AngelWoche“, vom B-Movie-Titel bis zum Holzhammer-Wortspiel.

AngelWoche-Cover 25/2014: „Tock macht Bock“ (alle hier gezeigten Fotos hat mir der Jahr Top Special Verlag zur Verfügung gestellt)
Den Glauben, Angeln sei ein entspannendes Hobby, habe ich am Bahnhofskiosk verloren. Neben den Jagd- und Hunde-Heften stehen dort die Angelmagazine und versuchen, trotz ewig gleicher Themen originell zu wirken. Das Angeln wird der männlichen Zielgruppe gern als Action-Erlebnis inszeniert – mit riesigen Fischen auf dem Cover, mit Wortspielen und Kraftausdrücken.
- Das Heft Blinker zum Beispiel lockt mit Titelzeilen wie „Heißer Herbst am Forellensee“ und „Spitzen-Aale: Feine Fänge mit der Zitterspitze„.
- Angelsee Aktuell bewirbt das Nachtfischen als „AALternative“ und präsentiert spektakuläre Fänge als „Das dicke Dutzend„.
- Der Raubfisch ködert Käufer mit dem Themen-Trio „Faule Waller„, „Zickige Zander“ und „Hechte im Herbst„.
- FliegenFischen reimt „Jetzt geht’s am Grund richtig rund!“ und titelt zu Mallorca-Urlauben „Endlich was zu Thun!„.
- Karpfen mischt Deutsch und Englisch bei „Catch den Kracher„.
- Und Esox hat ebenfalls interessante Titel im Archiv, wie „Kälte-Zander: Dicke Gummis für schwere Jungs“ und „Großhecht-Drills: Wer brutal kämpft – gewinnt!„. Auch spannend, weil nebulös: „Farbmagie im Trüben: Pommes Rot-Weiß für Fische„.
So denkwürdig diese Beispiel sind, die allerschrägsten Titelzeilen hat die AngelWoche. Diese „Deutsche Sportfischer Zeitung“ erscheint trotz des Namens 14-tägig, was im Vergleich zu den Konkurrenzblättern aber häufig ist. Vermutlich erklären dieser Kreativdruck und ein Faible für den Boulevard-Journalismus, warum sich im Archiv so viele irrwitzige Ideen finden.
Von der Vielfalt der Titel fasziniert, habe ich im Folgenden eine achtteilige Typologie von AngelWoche-Schlagzeilen zusammengestellt – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit.
1) Die Get-ready-to-rumble-Zeile
Was bei der AngelWoche immer geht, sind Action-Zeilen. Meiner Interpretation nach sind sie vor allem als Arschtritt für den Leser zu verstehen: Ausrüstung schnappen, ab an den Fluss und es dann krachen lassen, lautet der Subtext. Den passenden Artikel kann man lesen, wenn der Adrenalinspiegel wieder sinkt.
In die Kategorie Get-ready-to-rumble-Zeile fallen folgende Beispiele:
- „Hechte: Vollgas! Auf alles, was sich bewegt“ mit dem Zusatzthema „Heiße Drills in scharfer Strömung„
- „Piep! … und Action: Karpfen rennen, Angler drillen„
- „Rapfen knallen rein! Bisse wie Blitze, Drills am Limit„
- „Hechte, bis die Fetzen fliegen! Geschlitzte Gummis, gelochte Wobbler„
2) Die B-Movie-Zeile
Manchmal hat man beim Zeilenmachen das Glück, dass Themen auf einen konkreten Ort anspielen, mit dem viele Menschen Schönes (Mallorca) oder Stinkendes (Ruhrgebiet) verbinden. In solchen Fällen bietet sich die B-Movie-Zeile an, bei der eine Art Filmtitel erfunden wird. Wichtig: Den Filmnamen sofort schützen lassen, sonst könnte die Idee schneller als man denkt im RTL-Programm auftauchen.
Beispiele:
- „Fischalarm am Ballermann! Auf Mallorca geht die Thunfischparty ab“ (unten rechts auf dem Cover)
- „Räuberstau am Ruhrgebiet: Die großen Hechte sind nicht weit“ (unten rechts)
3) Die Fische-sind-Feinde-Zeile
Wenn man sich von Zeit zu Zeit entscheidet, Angeln ein wenig wie Krieg zu inszenieren, kann man auch gleich klassische Propaganda-Mittel nutzen. Bei einer Angelzeitschrift ist da vor allem das gezielte Diskreditieren der Gegenseite naheliegend. Fische sind nämlich keine Opfer, sondern die wirklich Bösen.
Beispiele:
- „Hechte greifen an! Abgelaicht, aggressiv, aushungert„
- „Zander kommen nie allein: Gierige Gesellen, auf Fress-Patrouille„
4) Die Reim-muss-sein-Zeile
Natürlich kann man auch auf einen Klassiker des Schlagzeilenbastelns zurückgreifen – den Reim. Hier sind alle Varianten möglich, die einem aus dem Deutschunterricht noch einfallen, vom guten bis zum schlechten Reim vom Binnen- bis zum Endreim. Mit einem solchen Stilmittel wirken sogar unspektakuläre Titel ein wenig durchdachter.
Beispiele:
- „Der Mix macht’s! Karpfen-Schocker, Barben-Blocker, Plötzen-Stopper, Barben-Zocker„
- „Abgeschleppt: Goldforelle auf die Schnelle“ (unten rechts)
- „Nimm 2! Barsch bockt, Hecht schockt„
5) Die Gute-Laune-Zeile
Während der Reim den Intellekt anspricht, soll die Gute-Laune-Zeile Gefühle wecken. Sie zielt also auf den Bauch statt den Kopf des potenziellen Käufers.
Die Gute-Laune-Zeile existiert in zwei Varianten. Die erste klingt naiv-enthusiastisch und setzt auf den Sprachstil eines Kindes:
Die zweite Variante dagegen soll Leser abholen, die das Wort „klasse“ spätestens mit der Pubertät durch „geil“ ersetzt haben – und denen auch „Knoblauch“ zu kompliziert ist.
6) Die Bild-im-Kopf-Zeile
Um den Leser emotional aufzuwühlen, lässt sich auch eine Bild-Im-Kopf-Zeile einsetzen. Einen guten Einstieg bietet eine Lautmalerei wie beim hier gezeigten Beispiel. Kombiniert mit der Unterzeile „Die Zander klopfen an“ denkt der Leser sofort an eine Abordnung wilder Zander, die sich im Morgengrauen gegen seine Zimmertür wirft, um ihn zum nächsten Fluss zu geleiten.
Ist man sich als Blattmacher nicht sicher, ob die Lautmalerei verstanden wird, kann man sie in einer weiteren Zusatzzeile erklären, analog zu „Beim Biss macht’s Tock“. Und im Zweifel ist auch noch ein Halbsatz wie „Und Tock macht Bock“ erlaubt, bevor der Leser vergisst, wie toll doch das Zander-Angeln ist. Voilà.
7) Die Mal-was-Anderes-Zeile
Da das Angeln von der Köder- bis zur Platzwahl ein kreatives Hobby ist, darf auch beim Magazinmachen experimentiert werden. Allein aus Gründen der Abwechslung sollte die Titelkonferenz alle paar Wochen mit einer verkopften oder stark verkürzenden Titelzeile enden.
Am Anfang des Spektrums steht dabei die philosophische Zeile:
Und am Ende die naturwissenschaftlich nicht zu haltende Formel:
8) Die Wortspiel-Zeile
Alle B-Movie-Ideen verballert und zu viel gereimt? Dann funktioniert natürlich immer noch die in Deutschland wohl beliebteste aller Überschriften, das Wortspiel. Hierbei ist zwischen mehreren Intensitätsgraden zu unterscheiden.
So gibt es etwa das absolut passende Wortspiel:
Darauf folgt das okaye Wortspiel:
Dann kommt das erzwungene Wortspiel:
- „Auf Wall(er)fahrt an Naab & Regen“ (unten rechts)
Und dann gibt es noch das Wortspiel um jeden Preis:
Nach einem solchen Holzhammer-Wortspiel sollte man beim nächsten Mal wieder den Wortspiel-Typ wechseln. Das kann dann zum Beispiel so klingen:
Bonus:
Die Titten-ZeileDas Notfall-Cover
Und einen Tipp für den Notfall gibt es auch noch: Hat man einmal gar keine Zeilen-Idee, kann man einfach das Coverfoto für sich sprechen lassen. Muss ja wohl erlaubt sein, wenn die Konkurrenz sogar Karpfen-Erotik-Kalender bietet.
- „Lieblingsköder!“, mit dem Bildtext „Das Auge fischt mit“
Anmerkung: Mit dem in diesem Artikel vielfach verlinkten Online-Shop Pressekatalog habe ich nichts zu tun, es handelt sich um keine Empfehlung. Ich verlinke das Angebot, weil man sich dort die hier zitierten AngelWoche-Cover im Großformat ansehen kann.