Entsorgt (12): Flop 15 – Die seltsamsten Magazin-Cover des Frühjahrs

In Deutschland gibt es nicht nur schicke Hochglanzmagazine. Am Kiosk liegen auch viele Zeitschriften, deren Titelseiten verwirren oder verstören. 15 Cover würdige ich hier – größtenteils ohne das jeweilige Heft gelesen zu haben.

cover awards

Zeitschriftencover: Gewonnen haben nur zwei dieser Hefte

In Hamburg wurden gerade wieder Medienpreise verliehen. Der Art Directors Club für Deutschland (ADC), „ein Zusammenschluss von Kreativen der Kommunikationsbranche“, hat Donnerstag fast 300 seiner sogenannten Nägel vergeben. Dabei handelt es sich tatsächlich um Nägel, die eine Jury von Werbern an Arbeiten vergibt, die – Achtung, Phrase – „den Nagel auf den Kopf treffen“.

Es gibt aber noch eine Voraussetzung für Auszeichnungen: Damit die eigene Arbeit von der Jury überhaupt berücksichtigt wird, muss man als Künstler oder Agentur pro Werk einige Hundert Euro Gebühr zahlen. Unnötig und unfair, finde ich.

Damit auch Zeitschriften, die lieber in Inhalte als Award-Einreichungen investieren, mal einen Preis gewinnen, erfinde ich hiermit den Kioskforscher-Award für besonders denkwürdige Cover. Zum Start vergebe ich ihn gleich 15 Mal – wie beim ADC-Wettbewerb in den Abstufungen Gold, Silber und Bronze.

Intransparenz-Hinweis: In die engere Auswahl kamen nur Cover deutschsprachiger Zeitschriften, denen ich im Frühjahr 2016 zufällig im Supermarkt oder Zeitschriftenladen begegnet bin und die ich zumindest so ungewöhnlich fand, dass ich sie fotografiert habe. Mein Eindruck von den Heften basiert in der Regel ausschließlich auf dem Cover. Nach fünf Jahren Kioskforschung dürfte ich aber eine gewisse Routine beim Erkennen seltsamer Magazine entwickelt haben.

Nun aber zu den Preisträgern:

Ein goldener Kioskforscher-Award für besonders gewiefte Leserverwirrung geht an das Rezeptemagazin „Meine Familie & Ich“. Aus der Kassenschlange eines Reals starrte ich mehrfach ungläubig in Richtung der März-Ausgabe, die den ersten Fleisch-Schokokuchen der Welt präsentierte. Dachte ich zumindest auf den ersten, zweiten und dritten Blick. Und das wäre in der Tat „echt crazy“ gewesen.

gold - rewe

Ein weiterer Gold-Award für das schönste Softporno-Cover geht an das Heft Rügen. Das „Journal für Deutschlands schönste und größte Insel“ imitiert mit beeindruckender Akribie die Optik billiger Liebesromane, obwohl das Heft immerhin 6,50 Euro kostet.

gold - rügen sex wie groschenromane

Und es gibt noch einen dritten Gold-Gewinner: Das große Schicksalshoroskop der AstroWoche wird geehrt für bemerkenswerte Überambition. Das Horoskop-Heft sagt nicht nur die nächste Woche, den nächsten Monat oder das nächste Jahr vorher, sondern gleich das kommende Jahrzehnt – für jedes Sternzeichen und sogar für Deutschland. Einen Sonderpunkt gibt es, weil die Zeile „Das kommt jetzt auf uns zu!“ besonders schlecht zu einer Langzeitprognose passt.

gold - astrowoche

Einfallsreich sind die Prognosen des Hefts übrigens nicht oder zumindest nicht alle. Das Jahr 2025 etwa wird an einer Stelle so beschrieben: „Fast alle Deutschen sind vernetzt. Das Smartphone bestimmt die Kommunikation – über Handy wird bestellt, bezahlt, geshoppt, ständiger Kontakt gehalten.“ Manches bleibt also einfach so wie jetzt.

Jetzt zu den Silber-Preisen: Der erste Award dieser Kategorie geht an Vegan für mich, für eine besonders ungeschickte Zielgruppenansprache. „Glücklich, fit und Spaß dabei“, lautet der Slogan des Hefts, Vegan-sein wird hier offenbar als etwas Tolles und sogar Cooles inszeniert. Unklar bleibt aber, wieso die Redaktion ausgerechnet eine Frau mit Blattsalat-Kopfschmuck aufs Cover genommen hat, die eher die gegenteilige Botschaft vermittelt: Ein wenig irre sind die schon, diese Veganer.

silber - v für mich vegan

Wo wir gerade beim Thema Ernährung sind: Silber geht auch an Meine Schuld, für besonders subtile Kritik am Vegetarismus. Das Heft lockt mit schonungslosen und indiskreten Berichten von Frauen, wie „Ich schlief auch mit seiner Schwester“. Zu diesen Ankündigungen gesellt sich aber auch noch ein weiteres Titelthema, „Gaumenfreuden: Vegetarisches für die Familie“.

In welcher Form dieses wohl im Heft vorkommt? Gesteht eine Frau, dass sie einmal heimlich Tofubällchen statt Frikadellen gekocht hat? Oder, dass sie dieses Gericht ihrer Familie vorgesetzt, aber selbst gar nicht gegessen hat?

silber - meine schuld

Ins Grübeln gebracht hat mich auch das Magazin Maas, das „Impulse für ein erfülltes Leben“ liefern soll. Von mir bekommt es einen Silber-Award – für eine besonders unverständliche Bildgestaltung. Das Titelthema des ersten Heftes lautet „Beruf und Berufung“, dazu reißt eine Frau in einer Ruine Gardinen auseinander – auf Rollschuhen. Ja, genau: Hä?! Besonders das Rollschuh-Motiv lässt mir nach wie vor keine Ruhe.

silber - verwirrendes cover maas

Silber geht in der ersten Award-Runde auch an das Krimi-Magazin Real Crime. Seine Ausgabe 2/2016 wird für maximale Dramatisierung geehrt. Auf seinem Cover präsentiert es nicht etwa nur gefährliche Serienmörder, sondern gleich die „weltweit tödlichsten“, die „schlimmsten Psychopathen der Welt“. Drunter macht es Real Crime nicht.

silber - real crime serienmörder

Nichts mit Gewalt hat der letzte Silber-Preisträger zu tun, das Ausmalheft FarbenFroh mit dem Slogan „Mal dir dein Leben neu aus“. Es wird ausgezeichnet für übertriebene Vorsicht. Dabei geht es weniger darum, dass das Heft das Leben als eine Ansammlung von Torten, Cupcakes und Kaffeetassen darstellt. Nein, primär gibt es den Preis für die Warnung unten rechts bei den mitgelieferten Stiften: „Achtung, das ist kein Spielzeug. Nicht für Kinder unter 14 Jahren geeignet.“

silber 14 jahre farbenfroh

Viel weniger für Unter-14-Jährige geeignet ist das Sexmag, das Bronze gewinnt. Es wird ausgezeichnet für besonders durchschaubare Verführung, weil das Heft auf der Titelseite als „Erotikmagazin für Mann und Frau“ inszeniert wird – trotz eines Covermodels, das wohl in erster Linie Männer anspricht.

bronze - sexmag

Im Heft selbst immerhin finden sich tatsächlich Themen, die beide Geschlechter ansprechen, von den „besten Erotik-Blogs“ bis zu einem Artikel über Sex in Fernbeziehungen. Dazu gibt es aber auch 16 Seiten erotische Fotostrecken, darunter 16 Seiten mit mehr oder weniger nackten Frauen und exakt 0 mit Männer-Models. Und auch auf den restlichen Seiten sieht man vor allem wenig bekleidete Frauen. Sicher genau das, was sich Leserinnen wünschen.

Nicht unausgezeichnet lassen konnte ich die AngelWoche, deren denkwürdige Cover vergangenen Sommer schon mit einem eigenen Beitrag gewürdigt wurden. Das für seine Wortspiele berühmt-berüchtigte Heft bekommt jetzt noch einen Bronze-Award, für besonders unnötiges Kopfkino.

bronze - angel woche

„Die Mädels mischen mit“ heißt es auf dem Cover des Heftes 10/2016: „Immer mehr, immer besser, immer öfter“. Unter dem Titelbild mit Frau und Karpfen findet sich dann der Hinweis: „Was Anglerinnen bei uns jetzt sonst noch fangen, lesen Sie auf Seite 2.“ Man will die Auflösung eigentlich gar nicht wissen.

Bronze für ein besonders überflüssiges Pin-up-Girl geht derweil an das Heft Original Schwedenrätsel. Hier dachte man wohl, Rätsel allein genügen nicht, also muss noch eine leicht bekleidete Frau aufs Cover – Blond ist ja bestimmt typisch für Schweden.

bronze - schwedenrätsel

Da lobt man sich Hefte, die sich nicht ausschließlich auf Bilder verlassen, weil sie auch die Kraft des Textes kennen. Bronze für den fiesesten Zungenbrecher als Titelzeile geht daher an das Magazin Humane Wirtschaft.

Das muss man mal nachsprechen, so schnell wie möglich und mehrfach hintereinander: „Ist Bares Wahres oder war es das mit Barem?“ Und wenn man das auf Anhieb fehlerfrei schafft, kann man ja immer noch das Titelbild aus 200er- und 500er-Scheinen nachbasteln. Und, ja: Die Würfel gehören zwingend mit dazu.

bronze - humane wirtschaft zungenbrecher

Geld ist aber nicht alles im Leben – manchmal freut man sich übers pure Überleben. Für die martialischste Inszenierung eines Restaurant-Tipps geehrt wird Wilde Hunde, ein Jagdmagazin für „Jäger von morgen“. Die Titelstory des Januar-Heftes dreht sich um einen Frankfurter Food-Truck namens Wild Smoker, dessen Personal am Arbeitsplatz ganz sympathisch aussieht. Dem bewaffneten Wild-Smoker-Trio vom Wilde-Hunde-Cover dagegen will man lieber nicht nach Einbruch der Dunkelheit begegnen.

bronze - junge wilde

Weniger beängstigend wirkt die Titelseite von Naturarzt, einem Gesundheitsheft mit dem Slogan „Natürlich heilen – gesund leben“. Einen Bronze Award bekommt es für sein auf unerklärliche Weise fesselndes Titelmotiv, ein Schneckenhaus. Man muss nur lang genug daraufschauen, dann hat man den Eindruck, dass sich die Linien drumherum zu bewegen beginnen. Ob das wirklich gesund ist?

bronze - naturarzt

Als letztes ausgezeichnet wird dieses Frühjahr noch das Magazin So gestalten Sie ihr Dorfpuppenhaus. Das Sammelheft bekommt einen Lebenswerk-Preis für überraschende Langlebigkeit, weil offenbar seit über zwei Jahren Woche für Woche neue Ausgaben an den Kiosk kommen. Mit Heft 114 zum Beispiel hat die Leserschaft endlich ein Besteckset für ihr Häuschen bekommen, ebenso Abstrebungen.

lebenswerk - dorfpuppenhaus lebenswerk

Wer das Puppenhaus-Magazin durchgehend gekauft hat, hat rechnerisch mittlerweile mehr als 1000 Euro ausgegeben, denn mit Ausnahme der Startausgaben kostet jede Ausgabe 8,99 Euro. Wer jemanden kennt, der jemanden kennt, der wirklich alle Hefte gekauft hat, der möge sich gern bei mir melden. Für so viel Treue zu einem Sammelmagazin hätte man eigentlich auch einen Preis verdient.

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde mittlerweile bei Bento zweitveröffentlicht.

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