Entdeckt (64): Model News – 14 Jahre nichts verpasst

Nach 14 Jahren ist ein Magazin namens „Model News“ zurück. Freuen dürfte das aber nur einige Mode- und Beautyfirmen: Ihre Selbstbeweihräucherung landet durch das Heft praktisch eins zu eins im Zeitschriftenregal.

top model magazin

Manchmal macht eine Erklärung die Dinge nicht besser. Vor allem nicht, wenn sie so klingt: „Wir wollten ein professionelles Magazin auf dem Markt bringen und nicht auf schnell schnell machen und dann die Leser enttäuschen.“

Das sagt Hendrik Seidel, der Herausgeber und Verleger des kürzlich erschienenen Magazins Model NewsIn einem Interview mit dem Portal HFSnews24, das zu Seidels Firma gehört, war der Unternehmer gefragt worden, warum das Heft mit beinahe einem Jahr Verspätung auf den Markt kommt.

„Die Verschiebung der Veröffentlichung brachte natürlich auch unangenehme Nebenwirkungen“, sagt Seidel auch noch, „wie, dass unsere Models schon am Zweifeln waren, ob das Magazin überhaupt veröffentlicht wird.“

Ich hätte von dieser Vorgeschichte normalerweise nichts mitbekommen. Ich hatte Model News zufällig in einem Hamburger Real-Markt entdeckt und nur mitgenommen, weil gerade das Finale von Germany’s Next Topmodel anstand (gewonnen hat – ich musste kurz googeln – Céline).

Zuletzt 2003 erscheinen

Mehrere Anläufe, Model News gewissenhaft zu rezensieren, zwangen mich jedoch zur Netzrecherche: Ich fragte mich, ob es gewollt ist, dass sich fast alle Artikel wie die Werbebroschüren von Mode- und Beauty-Unternehmen lesen.

Aber von vorn: Hendrik Seidels Zeitschrift versucht gerade wohl ein Comeback. „Ja, Sie schauen richtig“, schreibt er im Editorial meines Hefts. „Die letzte Ausgabe erschien im Jahre 2003 und nun sind wir im Jahr 2017 endlich zurück – mit einem Magazin, welches aktueller und umfangreicher an Inhalt besteht als je zuvor!“ Gegründet worden sein soll Model News 1995, heißt es weiter, das Magazin habe sich damals auch als Sprungbrett für Models verstanden.

Diese Idee versucht die neue Ausgabe wieder aufleben zu lassen, indem sie teils doppelseitig professionelle Gutausseher präsentiert. Von manchem Model erfährt man allerdings nicht einmal den Namen. Bei anderen liefert das Heft dagegen eine Menge Daten und Informationen, etwa zu den Körpermaßen und zu vorherigen Jobs. Als Model-News-Leser soll man sich so wohl seine Lieblingsperson ausgucken können, um sie für eigene Aufträge anzufragen.

Dafür braucht es ein Printmagazin?

Offen bleibt jedoch, warum es dafür in Zeiten von Instagram und Co. ein Printmagazin braucht: Der Buchungskontakt verrät, dass die meisten Models von der selben Agentur sind. Man könnte also auch einfach deren Website aufrufen, wo man auch mehr als nur ein Bild der jeweiligen Person gezeigt bekommt.

Um die Model-Vorstellungen herum bietet das Heft vor allem eins: sehr positiv gefärbte Texte über Produkte, bei denen man mangels eines Autorennamen nicht erfährt, wer sie geschrieben hat. Geschwärmt wird von Parfüm, von Klamotten, von einem 30.000-Euro-Auto und – ja, so etwas gibt es – vom „ersten rutschfesten Porzellan für Bootsbesitzer“.

Diese Seiten kommen in einer Optik daher, wie man sie anderswo von redaktionellen Texten kennt. Die Jubel-Artikel tauchen ganz normal im Inhaltsverzeichnis auf, die Seitenzahl läuft jeweils weiter und ich fand auch nirgendwo einen Hinweis wie „Anzeige“ oder „Advertorial“.

Ein Blick ins Impressum klärt auf

Erst beim Stöbern im Impressum, ganz am Ende des Heftes, bekommt man eine Idee davon, wo solche Artikel herkommen. Der Punkt „Quellen, Bilder und Texte“ beginnt dort mit: Beautypress.de, Fashionpress.de, Livingpress.com, Lorealmarken-presse.de. Alle vier genannten Websites sind Portale, die Pressetexte – also Eigenwerbung, die Journalisten zum Berichten motivieren soll – ins Netz stellen.

„24/7 steht das Pressematerial wichtiger Kosmetikmarken in Form von Texten, Bildern mit Copyright, Videos sowie Hintergrundinformationen für die redaktionelle Nutzung zum kostenlosen Download bereit“, beschreibt sich etwa Beautypress.de selbst.

Für Journalisten, gerade wenn sie häufig über Produkte berichten, sind solche Angebote durchaus hilfreich: Sie finden hier gesammelt aktuelle Ankündigungen der Hersteller, die sie als Grundlage für Artikel verwenden können. Fragwürdig wird die Sache aber, wenn man nicht mehr nur Informationen eines Herstellers weiterverarbeitet, sondern völlig unkritisch dessen Selbstbeweihräucherung übernimmt.

Eine Fleurop-Pressemitteilung als Artikel

Per simplem Googeln nach Auszügen konnte ich die meisten Texte aus Model News tatsächlich als Pressemitteilungen von bekannten Unternehmen oder deren PR-Agenturen identifizieren. Nicht einmal eine Titelgeschichte wie „Die 28 Tage Body Mission“ scheint aus der Feder der laut Impressum dreiköpfigen Redaktion zu stammen.

Es folgt beispielhaft eine Auswahl von Artikeln, deren Inhalt sich – im selben werblichen Stil – auch in meiner Model-News-Ausgabe wiederfindet:

„Beauty, Fashion und Livestyle“

Ich habe die Redaktion per E-Mail gefragt, ob meine Einschätzung zutrifft, dass Model News fast nur aus PR-Texten besteht – Elemente wie das Editorial, ein kurzes Interview am Heftanfang und die Model-Porträts mal ausgenommen. Eine Antwort auf diese Nachricht, durch die ich auch erfahren wollte, ob die Firmen für den Abdruck ihrer Texte bezahlen, bekam ich jedoch nicht.

Überrascht wäre ich nicht, wenn Model News auch ohne Bezahlung fremde Texte veröffentlichen würde – einfach, um das Heft vollzukriegen. Denn große Professionalität lassen die Macher allgemein nicht erkennen: Die Textqualität des Hefts etwa fällt schon beim Editorial negativ auf („Beauty, Fashion und Livestyle“) und im Mittelteil ist ausgerechnet jenes ganzseitige Porträt unscharf, das eine Beauty-Expertin zeigt.

Das Layout des Magazin immerhin ist nicht furchtbar, es bietet aber zum Beispiel einige Texte, die einspaltig über die ganze Seitenbreite laufen. Schick ist anders. Allzu oft ist auch das Copy-&-Paste unübersehbar: So findet sich bei den Model-Datenblättern neben Begriffen wie „Height“ jeweils ein Sternchen, dessen Bedeutung nie erklärt wird. Vermutlich wurde es einfach von der Website der Modelagentur übernommen.

Und bei der Pressemitteilung zum rutschfesten Porzellan hat Model News sogar deren Anfang, die Zeitangabe zur Veröffentlichung, mit abgedruckt: „Kahla, August 16“.

Model News Magazin – ein Fazit

Achtung, Dauerwerbezeitschrift“ habe ich 2012 zum offiziellen Magazin zu Germany’s Next Topmodel geschrieben, sowie: „Selten habe ich ein Magazin gelesen, das so alibihaft mit Inhalt gefüllt war.“ Fünf Jahre später muss ich sagen: Im Vergleich zu Model News war das Topmodel-Heft ernstzunehmende Berichterstattung. Model News unterbietet es jedenfalls aus dem Stand: mit nur 64 Seiten Umfang für fünf Euro, mit einem kaum mehr zeitgemäßen Konzept, mit werblichen Texten Dritter.

Über das Comeback dieses Magazins dürfte sich daher nur eine Gruppe Menschen freuen: Texter im Firmenauftrag, deren – teils handwerklich schlechte – PR-Artikel auf diesem Weg an den Kiosk gespült werden. Als normaler Magazin-Fan hat man in den 14 Jahren ohne Model News rein gar nichts verpasst.

 

Infos zum Heft

Model News erscheint in der Seidel Enterprises Verlag und Verwaltungs GmbH, die unter anderem noch eine Zeitschrift namens Berliner Leben & Arbeit veröffentlicht.

Einem Interview mit dem Verleger Hendrik Seidel zufolge gibt es das Magazin in Berlin, Hamburg, Bielefeld, Paderborn und München zu kaufen. Pro Jahr sollen vier Ausgaben erscheinen. Eine schriftliche Nachfrage von mir an die Redaktion, wie hoch die Druckauflage des Hefts ist, wurde nicht beantwortet.

Besprochen wurde die Ausgabe 1/2017, laut Seidel das erste Heft nach 14 Jahren Pause. Es hat 64 Seiten und kostet fünf Euro.

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