Entdeckt (26): LARPzeit – Erschreckend unfreakig

Wissenswertes für Wikinger: „LARPzeit“ ist das Leitmedium der deutschen Holzschwertschwinger. Komisch, dass es ausgerechnet diesem Magazin an Kreativität mangelt. Mit Ausnahme seiner Aboprämien.

Coverlarpzeit

Koffer und Stereoanlagen gehen immer. Und Werkzeugkästen. Das ist mein Eindruck, wenn ich mich durch die Aboangebote deutscher Printmedien klicke und dabei manchmal einen Mini-Helikopter ein Zeitungsabo bestelle. Doch der Funkflieger ist nicht der kurioseste Bestechungsversuch der Verlage. Das Greenpeace Magazin etwa bewirbt ein Minenräum-Abo. Dafür, dass man sich einige Ausgaben der Zeitschrift bestellt, sollen sechs Quadratmeter Bosniens sicherer werden. Da wundert sich sogar die Titanic.

Weniger pazifistisch wirkt die Aboprämie der „LARPzeit“, einer Zeitschrift mit Wikingerbraut auf dem Titel. Jeder Erwachsene, der sich dieses Heft nach Hause schicken lässt, wird für 90 Euro Zuzahlung mit einer Armbrust belohnt. Die „handliche Minipistole“ lasse sich unkompliziert handhaben und leicht unter einem Mantel verbergen, heißt es im Heft. Zudem sei sie „eine gute Wahl für kurze Distanzen“. Was ist das für ein Magazin, das seine Abonnenten mit Schusswaffen ködert?

Printheimat der Holzschwertschwinger

Die Antwort steckt schon im Hefttitel – und hilft, das Armbrust-Angebot zu verstehen: LARPzeit ist ein Magazin, das sich mit Live-Rollenspielen beschäftigt. Verkleidet als Wikinger, Ritter oder Zombie treffen sich Menschen bei einem LARP (Live Action Role-Playing Game) mit Gleichgesinnten, um gemeinsam Spaß zu haben; Kämpfe und soziale Interaktion in der Fantasiewelt inklusive. LARPzeit – laut Verlag die „weltweit größte Fachzeitschrift für Live-Rollenspiel“ – ist also gewissermaßen das Leitmedium der Freizeitkrieger, die Printheimat der Holzschwertschwinger aus deutschen Kleingärten.

Vielfältig wie die Rollenspielszene präsentiert sich das Heft. Seine thematische Bandbreite reicht vom Stelldichein zahlreicher Asienfans bis zum futuristischen Agentenspiel, von Medientipps bis zur Kolumne, die für mehr Toleranz beim Spielen wirbt. Auf Büchervorstellungen („Bogenbau für Kinder und Jugendliche“) folgen historische Erörterungen, Schinken-Rezepte, eine Bastelanleitung für Lederflaschen (Achtung: nicht für Alkohol geeignet) und ein Veranstaltungskalender. Je nachdem, welche Seite der Heftkäufer aufschlägt, landet er also wahlweise in einem Geschichts-, einem Do-it-yourself- oder einem Servicemagazin.

Von Klingenküssen und Wellenrossen

Die von mir gelesene Ausgabe widmet sich vor allem den Wikingern. Sieben Artikel thematisieren ihr Äußeres und ihre Eigenarten. In einem Text voller Spieltipps erfuhr ich etwa, dass die Nordleute große Freunde der Dichtkunst sind und poetische Umschreibungen mögen. Bei einem nordisch angehauchten LARP empfiehlt es sich laut Heft daher, statt Wunde „Klingenkuss“ zu sagen. Und mein Schiff ist im Zweifel ein „Wellenross“. Ein weiterer Tipp, falls man mal einem Wikinger begegnet: Bloß nicht den Namen der eigenen Mutter vergessen. Wikinger reden angeblich ständig über ihre Ahnen.

Neben solchen Artikeln, die wohl tatsächlich helfen, sich bei einem Rollenspiel zurechtzufinden, bietet das Heft Veranstaltungsberichte. Leider lesen sich diese ähnlich träge wie die Bilanz des Sportverein-Sommerfests in einer Vereinszeitung. Trotz hunderter Charaktere, trotz Kostümen, trotz Waffen. Meinem Empfinden nach fehlen vielen Artikeln Reportageelemente: Meistens berichtet LARPzeit nämlich gesamtschauartig über die Events, szenische Beschreibungen oder das porträtartige Begleiten eines Teilnehmers sind selten. Auch mit Zitaten ist das Heft viel zu sparsam. So schafft es LARPzeit, eine Kostümfirma vorzustellen, ohne dass ein einziger Mitarbeiter zu Wort kommt. Alles unter dem Titel „Hinter den Kulissen“.

Verrückter Ritter sucht Zwergin

Allgemein hätte ich mir mehr Kreativität bei den Textformen gewünscht. Warum durfte ich zum Beispiel nirgends einen unterhaltsamen Originaldialog aus einem Rollenspiel lesen? Wieso hat man keinen Eventbericht in Tagebuch- oder Protokollform geschrieben, nach dem Motto „Samstag, 15.13 Uhr, Lager der Amazonen“? Warum gibt es keinen satirischen, selbstironischen Text? Potenzial für tolle Geschichten bietet das Heftthema doch genug. Und seien es nur die Liebesgeschichten, die vielleicht aus den Kleinanzeigen wie „Verrückter, nicht immer glänzender Ritter (21), sucht Zwergin (18-24)“ entstehen.

Skurril – und damit per se interessant – ist eine achtseitige Zeitung im Heft, die auf raueres Papier gedruckt ist, teilweise in Frakturschrift. Bei der „Stimme des Herolds“ handelt es sich um eine Zusammenfassung aktueller Geschehnisse in der fiktiven LARP-Welt. So erfährt der Leser zum Beispiel, wer dort wen geheiratet hat („Handschuhverlobung im Fürstenhaus Britonias“). Obwohl ich als Szene-Fremder kaum etwas aus dieser Beilage verstanden habe, fand ich sie trotzdem cool. Denn jenen Mut zum Ungewöhnlichen, der in ihr durchscheint, hätte ich mir an viel mehr Stellen des Hefts gewünscht. Immerhin ist LARPzeit ein Fantasy-Magazin.

Ein paar Pünktchen zuviel

Für die Optik des Hefts gilt Ähnliches wie für die Texte. LARPzeit sieht akzeptabel aus, aber weder schick, noch originell. Dank ihres gelblich-braunen Seitenhintergrunds wirkt die Zeitschrift historisch, aber auch bieder. Dass die Qualität der Fotos zwischen ansehnlich und amateurhaft variiert, ist zu verzeihen, da einige Bilder wohl während laufender Rollenspiele gemacht wurden. Und mitten im fernöstlichen Ritual posiert niemand für die Kamera.

Auf Dauer anstrengend fand ich einen kleinen sprachlichen Tick des Hefts: LARPzeit hat die Tendenz, Sätze relativ häufig mit drei Pünktchen zu beenden … Insofern man das beenden nennen darf … Vielleicht soll das die Spannung erhöhen … Man fragt sich, wie der Text wohl weitergeht … Aber ich finde, dass sich dieser Effekt schnell abnutzt.

LARPzeit – ein Fazit

Für mich hat der Begriff Freak eine positive Bedeutung. Deshalb hatte ich gehofft, LARPzeit könnte ein im besten Sinne freakiges Heft sein, ein mit viel Kreativität und Liebe zum Detail gemachtes Fanmagazin. Ein Heft, das selbst mich als Szene-Fremden für Rollenspiele fasziniert. Diese, zugegebenermaßen hohe Erwartung hat LARPzeit nicht erfüllt. Über weite Strecken wirkt das Heft konventionell, ins Originelle wechselt es nur sporadisch. Mit welch‘ ausgefallenem Hobby ich mich auseinandersetze, wurde mir beim Lesen selten bewusst.

So bietet LARPzeit aus meiner Sicht lediglich ordentliche Szeneberichterstattung. Darüber hinaus könnte das Heft für LARP-Einsteiger interessant sein. Positiv aufgefallen ist mir als Laie eine Abkürzungstabelle am Heftbeginn, die die Bedeutung einiger LARP-typischer Begriffe erläutert. Wenn jemand einen „Time Freeze“ angekündigt, heißt es beim Rollenspiel zum Beispiel Augen zu und dabei summen.

Aus Gründen der Fairness sei zum Schluss noch erwähnt, dass sich LARPzeit natürlich auch ohne Armbrust abonnieren lässt. Zuzahlungsfrei gibt es alternativ eine Prämie, für deren Wahl man sich nicht vor seinen Freunden rechtfertigen muss.

Obwohl? Vielleicht doch.

Infos zum Heft

LARPzeit erscheint vierteljährlich im Zauberfeder Verlag. Dieser veröffentlicht außerdem das kostenlose Fantasy-Magazin Zauberwelten sowie Sachbücher über Rollenspiele.

Kaufen kann man LARPzeit im Bahnhofbuchhandel und bei mehreren Dutzend Fachhändlern. Laut Verlag wird jede Ausgabe 5300 Mal gedruckt. Das Heft kam im Juli 2003 auf den Markt.

Beschrieben wurde die Ausgabe 34 aus dem Dezember 2011, der der Katalog eines LARP-Fachhändlers beilag. Sie hat 100 Seiten und kostet fünf Euro. Mit der kommenden Ausgabe steigt der Preis des Hefts auf 5,50 Euro.

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