Magazin-Menschen (2): Die Gimmick-Einkäuferin – „Quengelfaktor allein reicht nicht“

Ihr Team versorgt Magazine wie „Micky Maus“ und „Benjamin Blümchen“ mit Spielzeug: Jana Gurung, 38, leitet den Gimmick-Einkauf beim Egmont Ehapa Verlag. Ein Gespräch über Barbies, Wasserpistolen und Furzkissen.

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Ungewöhnliche Aufgaben bietet die Magazinbranche zuhauf: Foodstylisten geben ihr Bestes, damit die Fotos neben Rezepten auch wirklich Appetit machen. Rätselerfinder Stefan Heine verkauft von Hamburg aus Denkaufgaben. Und irgendjemand muss sich auch die seltsamen Bildunterschriften in Fernsehzeitungen ausdenken.

Noch interessanter finde ich aber den Job von Jana Gurung: Die 38-jährige Berlinerin erfindet Spielzeug, vom Barbie-Accessoire bis zum Agenten-Gadget. Seit zwölf Jahren arbeitet sie im Einkauf des Egmont Ehapa Verlags, der rund 30 Kinderzeitschriften auf den Markt bringt, darunter Micky Maus. Im Februar hat Gurung die Leitung des achtköpfigen Einkaufsteams übernommen.

Kioskforscher: Frau Gurung, fast jedes Kinderheft hat ein Gimmick. Würde sich ein gutes Magazin nicht auch ohne Spielzeug verkaufen?

Gurung: „Schwer zu sagen – unser Verlag vertreibt Kinderhefte ausschließlich mit Gimmick. Extras sind wichtig, um im Regal Aufmerksamkeit zu bekommen, schließlich entscheidet auch der Quengelfaktor der Kinder, welches Heft gekauft wird. Ein gutes Extra provoziert bei Kindern ein Gefühl, dieses ‚Das will ich jetzt unbedingt haben!‘. Unsere Auswertungen zeigen, dass sich Ausgaben mit gutem Gimmick merklich besser verkaufen.“

Also ist das Extra letztlich wichtiger als das Magazin?

„Das Magazin ist schon das Hauptprodukt. Quengelfaktor allein reicht nicht, zumindest nicht langfristig. Dafür ist die Haltung der Eltern doch zu wichtig. Eltern kaufen ihren Kindern am ehesten Hefte, die sie für lesenswert halten. Da zählt der Inhalt.“

Wissen Sie vor der Veröffentlichung, wie gut ein Extra ankommt?

„Wir analysieren Verkaufszahlen, da lassen sich Trends erkennen. Und manche Klassiker wie das Furzkissen, die Klickkamera oder das Paddel-Ball-Spiel funktionieren noch immer. Außerdem gehen wir mehrmals im Jahr in Schulen und Kitas, um uns Feedback zu holen – zu Extra-Skizzen und -Prototypen, aber auch zu Magazinkonzepten und Layoutideen.“

Wie darf man sich Ihren Alltag als Einkäuferin vorstellen?

„Mit meinem Team konzipiere ich die Gimmicks für alle Ehapa-Kinderhefte, von Benjamin Blümchen bis Wendy. Fast immer werden die Extras speziell für uns produziert, es gilt also, den Hersteller mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu finden. Den Großteil der Aufträge vergeben wir nach China.“

Wie kommt Ihr Team auf neue Ideen?

„Wir sind viel auf Spielzeugmessen unterwegs, um auf dem Laufenden zu bleiben. Auch das Internet liefert Inspirationen. Die meisten Extras entstehen aus Blitzideen einzelner Mitarbeiter, die einfach mal losgezeichnet haben. Manchmal treffen wir uns auch zum Brainstorming, etwa, wenn jemand ein Extra zu einem bestimmten Thema braucht.“

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Lassen Sie uns über Konkretes sprechen: Ich habe mir Phineas und Ferb gekauft, ein Disney-Magazin. Jetzt besitze ich einen Nachrichten-Shooter, der Papiernotizen verschießt. Schießspielzeug geht bei Jungsheften immer, oder?

„Wäre super, wenn das so einfach wäre. Der Nachrichten-Shooter ist ein Extra, das wir uns komplett neu ausgedacht haben, da sind wir auf die Verkaufszahlen gespannt. Wir haben öfter mal Wasserspritzer als Extra, bei denen kommt es auf die Form an. Eine große Pistole wirkt sich meistens positiv auf die Verkaufszahlen aus. Andersgeformte Spritzer, die weniger selbsterklärend sind, verkaufen weniger gut.“

Sind Agentengimmicks noch angesagt? Ich erinnere mich gern an das „Um-die-Ecke-Guck-Rohr“ aus der Micky Maus.

„Solche Gimmicks funktionieren noch, James Bond stirbt nie aus. Die Micky Maus greift das Agententhema hin und wieder redaktionell auf, dazu liefern wir die passenden Extras.“

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Wer das Heft Benjamin Blümchen kauft, bekommt derzeit ein elektronisches Klavier.

„Dieses Heft hat eine sehr junge Zielgruppe, Drei- bis Sechsjährige. Da ist es wichtig, dass die Kinder sofort wissen, was sie mit dem Extra machen können. Und diesen Losspielfaktor hat das Klavier natürlich. Krach, Töne, Musik machen, das ist ein Riesenthema in dem Alter.“

Vom Benjamin-Blümchen-Sticker abgesehen könnte das Klavier auch jedem anderen Heft beiliegen.

„Es kann durchaus sein, dass wir das Extra auch auf einem anderen Magazin eingesetzt haben. Aber natürlich nicht zeitgleich, wir wollen ja nicht, dass sich zwei unserer Hefte durch das Extra unnötig Konkurrenz machen. Aber klar, wo es sich anbietet, versuchen wir, Synergien zu nutzen.“

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Stichwort Synergie: Ich habe auch eine Barbie-Wundertüte gekauft. Drin waren zwei ältere Magazinausgaben, mit den ursprünglichen Extras. Ist das Ihr Weg, übrig gebliebene Hefte doch noch loszuwerden?

„In den Wundertüten sind wirklich Hefte, die abgesammelt wurden oder noch im Lager waren. Die verkaufen wir als vergünstige Doppelausgabe erneut, mit Überraschungseffekt. Die Zielgruppe sind in diesem Fall Kinder, die das Heft nicht so häufig lesen.“

Müssen Barbie-Extras immer rosa sein?

„Rosa ist die Hauptfarbe in Barbies Welt, also liegt es nahe, die Farbe zu verwenden. Hinzu kommt, dass uns der Lizenzgeber Mattel per Styleguide vorschreibt, welche Farben benutzt werden dürfen.“

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Sind solche Vorgaben häufig? Ich habe hier noch ein Set fürs „Schwammstarke Hangel-Angeln“ aus dem Spongebob-Magazin.

„Spongebob ist ein gutes Beispiel, da gibt es direkte Absprachen mit dem Lizenzgeber. Nickelodeon gibt erst die Idee frei und später auch die Form und das Artwork des Extras. Die wollen, dass die Extras auch in die Welt passen. Das Gimmick muss einen Sinn ergeben.“

Die „Spionbrille mit extra Nachtlicht“ aus Galileo Genial könnten Sie also nicht einfach im Spongebob-Heft wiederverwerten?

„Genau, das würde thematisch nicht passen. Bei Spongebob müsste noch ein Gag-Element an die Brille ran, irgendetwas Verrücktes.“

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Überrascht hat mich das Extra aus Bibi & Tina: Ein Notizblock ist ja durchaus praktisch, iPod-Look hin oder her.

„Bei Bibi & Tina sind die Leser um die neun Jahre alt, da bringen reine Spielextras nicht mehr den großen Erfolg. Je älter die Kinder, desto nützlicher muss das Extra sein. Wichtig ist dieser Zielgruppe aber auch, dass sie das Extra in die Schule mitnehmen kann.“

Bei welchen Magazinen ist die Extra-Suche am schwierigsten?

„Die Hefte mit Witzansatz sind eine Herausforderung, ebenso die lehrreichen. Bei klassischen Marken kann man dagegen aus den Vollen schöpfen. Beim Barbie-Heft zum Beispiel kann etwas zum Schickmachen dabei sein, aber genauso ein Arztset. Barbie hat ja viele Berufe.“

Zeitschriften-Extras werden des Öfteren kritisiert: als angeblich schadstoffbelastetes Billigspielzeug. Zuletzt berichtete die WDR-Sendung „markt“ über „gefährliche Gimmicks“.

„Ich finde, unser Spielzeug steht oft zu Unrecht am Pranger. Solche Berichterstattung orientiert sich oft nicht an den gesetzlich vorgegebenen Standards.“

Wie testen Sie Extras, bevor sie in den Handel kommen?

„Ehapa hat ein eigenes Sicherheitshandbuch, das die gesetzlichen Anforderungen an Spielzeug abdeckt und in vielen Fällen sogar über diese Standards hinaus geht. Auf dieser Basis legt das Institut SGS für jede Idee fest, welche Tests notwendig sind. Anschließend wird ein Vorproduktionsmuster des Extras erstellt, das wir Einkäufer freigeben, bevor es in einem SGS-Labor in Asien landet. Nur wenn es dort alle Tests besteht, geht das Extra in die Massenproduktion. Außerdem führen wir stichprobenartig Nachtests an der fertig produzierten Ware durch.“

2009 war in der Micky Maus ein Radio, mit dem sich der Polizeifunk abhören ließ. Haben Sie das eingekauft?

„Nicht persönlich. Die Funktion hat uns damals alle überrascht, die hatte sich niemand ausgedacht.“

Danke für das Gespräch.


Lesetipp: Im ersten Teil der Serie Magazin-Menschen habe ich eine Zeitschriftenverkäuferin interviewt. Sie erzählt unter anderem, dass Gimmicks öfter mal von älteren Leuten geklaut werden.

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