Nachgeforscht (1): Klatschquatsch, Wartezimmer-Lektüre, Abos mit Gewinn

Die Nischenhefte in Ehren, aber in diesem Blog muss auch Platz sein für die wirklich wichtigen Fragen: Sind alle Klatschblätter gleich schlimm? Kann man beim Arzt bedenkenlos zu den Zeitschriften greifen? Und warum kosten manche Abos so unfassbar wenig?

coverklatschmagazine

Aktuelle Cover der Klatschmagazine „die aktuelle“, „Neue Post“ und „Freizeit Express“: Jedes Heft erzählt eine eigene Geschichte über Monacos Fürstin Charlene.

In nunmehr drei Jahren haben sich rund um dieses Blog allerlei spannende Fragen angesammelt. Fragen, die zu banal oder spezifisch sind, um sie in Form eines Berichts oder Interviews aufzuarbeiten. Deshalb startet mit diesem Beitrag die Rubrik „Nachgeforscht“, in der ich die kleinen Rätsel des Zeitschriftenmarktes lösen möchte: von „Welcher Typ Mann kauft sich freiwillig die InStyle Men?“ bis „Was ist das beliebteste Heft in deutschen Friseursalons?“ Die Antworten hole ich mir von fachkundigen Personen – das können mal Redakteure sein, mal Wissenschaftler, mal andere Blogger.

Los geht es mit vier allgemeinen Fragen, für kommende Rubrikbeiträge freue ich mich aber über Vorschläge jeder Art. Gern per Mail, noch lieber als Kommentar am Artikelende.

1) Sind eigentlich alle Klatsch- und Tratschhefte gleich schlimm?

Haarsträubende Zuspitzungen und echte Falschmeldungen: Die deutsche Regenbogenpresse hat einen richtig miesen Ruf. Wer Medienblogs wie topfvollgold, Stefan Niggemeier und das BILDblog verfolgt, wagt es kaum noch, von Journalismus zu sprechen. Aber sind wirklich alle Klatschhefte so furchtbar? Keins dabei, das ich guten Gewissens meiner Oma mitbringen kann?

Es antworten Mats Schönauer und Moritz Tschermak vom Watchblog topfvollgold:

„Grundsätzlich gilt: Es gibt kaum große Unterschiede zwischen den knapp 80 Regenbogentiteln. Die einzige sinnvolle Kategorisierung: die schlimmen und die ganz schlimmen. Allen voran die aktuelle aus der FUNKE Women Group gibt sich jede Woche redlich Mühe, ihre Leser mit verbogenen Schlagzeilen in die Irre zu führen und sich bösartige Schundgeschichten auszudenken. Besonders krawallig sind auch die Bauer-Blätter Neue Post und Das neue Blatt sowie die Hefte aus dem Alles Gute Verlag, dazu zählt etwa Freizeit Express.

Es existiert aber auch ein anderes Ende des Spektrums. Nicht ganz so übel sind zum Beispiel die „Freizeit Welt“ und die „Freizeit genießen“ aus dem Livingston Verlag. Die Überschriften sind weniger reißerisch, das Layout etwas zurückhaltender. Außerdem untypisch für die Regenbogenpresse: Es gibt eine Doppelseite „Welt des Wissens“, die einem ordentlich recherchierten Journalismus deutlich näher kommt als jegliche Promi-Geschichten.

Wenn man seiner Großmutter also unbedingt ein Regenbogenheft vom Kiosk mitbringen will, dann die „Freizeit Welt“ oder die „Freizeit genießen“. Wenn es nicht unbedingt sein muss: am besten ganz bleiben lassen. Gute Rätsel gibt es auch in Rätselheften, gute Rezepte in Rezeptheften – und zwar ohne die unsäglichen Klatschgeschichten.“

2) Wie mutig ist es, im Wartezimmer Zeitschriften anzufassen?

Husten und Niesen überall: Bei Arztbesuchen traue ich mich nur selten, die ausliegenden Zeitschriften zu lesen gerade jetzt im Winter. Stelle ich mich zu sehr an?

Es antwortet Florian Wilke, Assistenzarzt am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Uni Greifswald:

„Hygienischer wäre es schon, sich eine eigene Zeitschrift mitzubringen, dann ist man höchstens der eigenen Flora ausgesetzt. Oder wenn sich alle Patienten vor dem Griff zu den Magazinen die Hände desinfizieren. Ob es nun Pilze, Viren oder Bakterien sind, sie alle können über Papier übertragen werden: Die Überlebensrate von Erregern reicht von einigen Stunden bis zu mehreren Monaten.

Werden Bakterien über eine Zeitschrift übertragen, heißt das aber noch nicht, dass wirklich eine Erkrankung ausgelöst wird. Das hängt von vielen Faktoren ab, etwa von der Anzahl der übertragenen Erreger und davon, wie empfänglich der Betroffene ist. Außerdem gibt es bislang keine Untersuchung dazu, welche Rolle die Zeitschriften im Verhältnis zu anderen Überträgermedien spielen. Die Türklinke zum Beispiel wird ja von noch mehr Menschen angefasst.“

3) Warum wirbt Greenpeace manchmal in Trashmagazinen?

Brüste, schlechte Witze – und Tierschutz? In Heften vom Niveau einer Coupé oder Action & Wissen finden sich manchmal Anzeigen von Organisationen wie PETA, dem WWF und Greenpeace. Wie kommt solche Werbung ins Schrottheft?

Es antwortet Christine Busch, Assistentin des Bereichsleiters Fundraising bei Greenpeace:

„Wie andere Organisationen stellen auch wir von Greenpeace sogenannte Freianzeigen zur Verfügung, also Anzeigenmotive, die Zeitschriften kostenlos abdrucken können. Manche Magazine machen das aus Überzeugung, andere nutzen die Motive als Füllmaterial, etwa, wenn sie keine zahlenden Anzeigenkunden gefunden haben, aber Seiten für Anzeigen eingeplant hatten.

Wie oft unsere Freianzeigen gedruckt werden, wissen wir nicht genau. Wir schätzen, es sind so 500 bis 700 Motive pro Jahr. Hierbei versuchen wir auf jeden Fall zu vermeiden, dass wir in rassistischem oder sexistischem Umfeld erscheinen, können dies aber nicht ganz ausschließen. Genauso kann es passieren, dass wir auf der „Kontaktanzeigen“-Seite eines eigentlich seriösen Magazins landen. Das ist ärgerlich, aber da haben wir dann leider keinen Einfluss drauf.“

4) Wieso bekommt man manche Abos gratis oder gar mit Gewinn?

Funk Uhr, Hörzu, Auto Zeitung: Von Zeit zu Zeit werden Jahresabos angeboten, bei denen die Bar- oder Gutscheinprämien höher sind als die Kosten für den Kunden. Und auch sonst sind einige Online-Abos auffallend günstig. Warum gibt es solche Angebote?

Es antwortet Simon Knapp, Betreiber des Preisvergleichsportals Abogratis:

„Die Motive hinter derartigen Angeboten sind unterschiedlich, je nach Anbieter. Kommt das Angebot direkt vom Verlag kann dieser zum Beispiel ein Interesse daran haben, die Auflage stabil zu halten, um in Verhandlungen mit Anzeigenkunden auf diese Konstanz verweisen zu können. Dafür nimmt es der Verlag in Kauf, dass einige Abos unrentabel beziehungsweise teuer eingekauft sind.

Werden die Abos von selbstständigen Firmen angeboten, die zum WBZ/BMD gehören, kann es sein, dass das Unternehmen eine Provision für jedes aktive Abo bekommt. Dann lohnt es sich vielleicht, auf eine Mischkalkulation zu setzen: Eine bestimmte Zeitschrift gibt es sehr günstig oder kurzzeitig sogar mit effektivem Gewinn, viele andere Hefte werden jedoch mit normalen Prämien angeboten.

Und stammt das Abo von einem Wiederverkäufer, ist es häufig so, dass dieser seine eigene Marge derart einspart, dass das Angebot für den Kunden extrem günstig wird oder gar zu einem Gewinn führt – in dem Fall wird der Topf einfach anders verteilt. So eine Umverteilung lohnt sich aber nur, wenn der Verkäufer auf diesem Weg überproportional viele Abschlüsse erzielt und gleichzeitig kaum Kosten hat.

Allgemein hoffen Abo-Anbieter natürlich, dass der Kunde das Magazin nicht direkt wieder kündigt, sondern noch einige Jahre weiterliest. Das klappt bei Internetkunden meiner Erfahrung nach aber selten.“

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